„GEILE LOCATION FüR EINE DISCO“: KASSELER LUKASKIRCHE WIRD AM FREITAG ZUM CLUB

Nacht der offenen Kirchen

„Geile Location für eine Disco“: Kasseler Lukaskirche wird am Freitag zum Club

Zur Nacht der offenen Kirchen am Freitag ist in vielen Kasseler Gemeinden etwas los. In der evangelischen Lukaskirche findet erstmals eine Disco statt.

Kassel – „Holy Beats“ lautet der Titel der Tanzparty, die ab 20 Uhr in der Kirche in Niederzwehren steigt. Für Musik sorgen Tobias Hengel alias Mr. Tobbi, der schon auf dem Baunataler Stadtfest aufgelegt hat, und Pfarrer Björn Henkel. Wir haben vorab mit den beiden gesprochen.

Der Altar als DJ-Pult, der Kirchenraum als Tanzfläche. Das gab es noch nie in Kassel. Wie kam es dazu?

Björn Henkel: Eines Tages stand Tobbi vor der Tür, den ich bis dahin nicht kannte. Er erzählte mir, dass er hier seine Jugend verbracht hatte. Den Jugendraum im Keller gibt es heute nicht mehr, in den Gebäudeteil ist eine Tagespflege eingezogen. Wir haben uns dann länger unterhalten und Tobbi hatte die Idee, dass man hier mal eine Party feiern müsste.

Tobias Hengel: In den 90er-Jahren gab es hier einen Jugendtreff mit Bühne und Band. Wir hatten einen Schlüssel und konnten kommen und gehen, wie wir wollten. Disco haben wir damals auch schon gemacht.

Björn Henkel: Zur Party kam es nach unserem Treffen damals zwar erst mal nicht. Jetzt zur Nacht der offenen Kirchen kam das Thema aber wieder auf – diesmal als Idee einer Kirchenvorsteherin.

Legen Sie als DJ in der Kirche anders auf als auf dem Stadtfest oder im Club?

Tobias Hengel: Nein, ich glaube nicht. Jeder,der schon mal aufgelegt hat, weiß: Man wünscht sich einfach eine coole Party – dass die Leute gut drauf sind und getanzt wird. Die Kirche ist eine geile Location! Super, dass der Björn sich darauf einlässt. In Niederzwehren ist das echt ‘ne Nummer. Ich hoffe, dass sich am Freitag auch ein paar Leute aus unserem Jugendclub „Jim Knopf“ wiedersehen.

Wie passt Disco mit Kirche zusammen?

Björn Henkel: Warum sollte das nicht passen? Wir feiern in der Kirche Gottesdienst, wir feiern das Leben. In der Lukaskirche haben viele Menschen Taufe, Konfirmation und Hochzeit gefeiert. Aber hat man damals auch getanzt? Kirchen sind Orte der Freude. Was mich begeistert ist auch, dass jemand wie Tobbi hier in der Jugend gute Erfahrungen gemacht und jetzt Bock hat, der Kirche was zurückzugeben.

Tobias Hengel: Wenn Party nicht in die Kirche gehört, wohin denn dann? Denk’ mal an Gospelmusik – wie die Leute da abgehen, was die für einen Spaß haben. Okay, hier in Deutschland ist das ein bisschen anders. Trotzdem glaube ich, dass man in der Kirche so gut feiern kann wie in einem Club. Wobei der Raum dann schon für eine besondere Atmosphäre sorgt.

Warum wird bei der Kirchen-Disco auch Alkohol ausgeschenkt? Das ist ja wirklich wie im Club.

Tobias Hengel: Beim Abendmahl gibt es doch auch Alkohol ...

Björn Henkel: Die Frage suggeriert eine Leibfeindlichkeit der Kirche. Ich sehe den Widerspruch nicht. Alkohol gehört beim Feiern für viele mit dazu. Bei allem Problembewusstsein, das man bei Alkohol und seinen Risiken haben muss: Für uns war klar, dass wir eine richtig Party machen wollen, so wie anderswo eben auch gefeiert wird, und nicht so ein halb gares Ding.

Was legen Sie auf? Gibt es Titel, die in einer Kirchendisco unspielbar sind?

Tobias Hengel: Es wird eine musikalische Zeitreise nach Mr. Tobbis Art von den 1980ern bis in die 2000er. Ein bisschen Stevie Wonder, ein bisschen Abba und Rocksongs. Ob es auch Titel gibt, die nicht gehen? Nö. Wenn ich höre, was die jungen Leute auf Sylt zu Gigi Agostino anrichten, sage ich: Es gibt keine falsche Musik, es gibt nur ein falsches Publikum.

Manchen Metal-Bands wird ein Hang zum Satanskult nachgesagt.

Tobias Hengel: Wenn Mr. Tobbi auflegt, gibt es so was nicht. Das bin ja nicht ich.

Björn Henkel: Warum sollten wir satanische Musik auflegen? Das ist ja nicht das Publikum, das hierher kommt. Klar ist: Unsere Disco bleibt ein gewaltfreier Raum, frei von Diskriminierung und Hass. Das ist an vielen Orten, wo gefeiert wird, klar und hier in der Kirche glasklar.

Was ist Ihre Lieblingsmusik, die Sie auflegen werden?

Tobias Hengel: Man muss zu der Musik feiern, zu der man früher auch gefeiert hat. Die Leute dürfen sich an dem Abend auch was wünschen. Ich sage immer: Die Party machen die Leute, nicht der DJ.

Björn Henkel: Ich habe bislang keine DJ-Erfahrung und werde das intuitiv machen. Ich glaube, dass in der Kirche manche Musik noch mal anders klingt – einfach weil man sie in diesem besonderen Raum hört. Zum Beispiel „Thank you for the music“ von Abba, „Like a Prayer“ von Madonna oder „I need a Hero“ von Bonnie Tyler. Wenn man darüber nachdenkt, gibt es so viele Lieder, in denen auch christliche Lebensthemen vorkommen. Ich habe aber keine Lust, eine Predigt aus dem Abend zu machen. Es geht darum, einfach den Moment leben und eine gute Zeit in der Kirche haben. Wenn das gelingt, haben wir schon viel erreicht.

Zu den Personen

Björn Henkel (33) stammt aus dem Marburger Raum und studierte Theologie in Marburg und Leipzig. Seit 2020 ist er Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Niederzwehren.

Tobias Hengel (Alter: „Ich bin irgendwo in den 90ern hängen geblieben.“) ist im Hauptberuf Lkw-Fahrer. Nebenberuflich macht er als DJ Mr. Tobbi Musik in der Tanzbar im Hotel Scirocco in Baunatal, auf Festen und Partys.

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