4 BEISPIELE ZUM EIDGENöSSISCHEN TRACHTENFEST IN ZüRICH: SCHWEIZER TRACHTEN SIND EINE WISSENSCHAFT FüR SICH

Dieses Wochenende findet das Eidgenössische Trachtenfest in Zürich statt. Und es wird bunt: Kaum ein Land kennt so viele verschiedene Trachten wie die Schweiz. Blick zeigt dir die Vielfalt anhand von vier Beispielen aus den unterschiedlichen Sprachregionen.

Was für manche altertümlich und fremd erscheinen mag, ist fester Bestandteil der Schweizer Kultur– und spiegelt den Föderalismus unseres Landes wunderbar wider: Über 700 verschiedene Trachten gibt es in der Schweiz. Sie unterscheiden sich in Stil, Details und Herstellung, je nach Region und historischem Hintergrund. Zusammen kommen sie alle am Eidgenössischen Trachtenfest 2024, das dieses Wochenende in Zürich stattfindet. Nirgends sonst trifft man die vielen verschiedenen, prachtvollen Gewänder auf einem Haufen an. Blick zeigt dir die Vielfalt der Trachten anhand von vier Beispielen aus den verschiedenen Sprachregionen der Schweiz:

Schwarze Festtagstracht aus Appenzell Ausserrhoden

Die Festtagstracht von Appenzell Ausserrhoden ist im Vergleich zu anderen Kantonen eher schlicht. Das rührt daher, dass der Kanton reformiert ist. Die Frau trägt einen schwarzen Rock mit einer blauen Seidenschürze, einer weissen Bluse mit Samtbändern an den Ärmeln und ein feines, sogenanntes Tüllfichu, ein Dreieckstuch, das die Frau um den Hals trägt. Auf dem Kopf thront eine Seidenhaube mit Klöppelspitzli. Auf den Schmuck der Frau kommt es besonders an: Ist er golden, bedeutet das, dass die Frau verheiratet ist. Ist er silbern, ist sie noch ledig.

Auch der Mann trägt Schmuck: einen Ohrring in Form einer Schlange, die sich in den Schwanz beisst. Das wertvollste Stück der Tracht ist allerdings die Sennenkette, ein Silbergebilde, das am Hosenbund befestigt ist. Es ist eine Uhrkette mit einer Taschenuhr daran, die auf dem Bild nicht zu erkennen ist. Auch nicht zu erkennen, aber typisch ist die sogenannte Ladenhose des Mannes. Sie heisst so, weil die Hose beim Öffnen der Knöpfe wie ein alter Fensterladen nach unten kippt.

Für die Schneiderinnen in Appenzell Ausserrhoden von Vorteil: Der Schnitt der Trachten ist im ganzen Kanton einheitlich.

Chränzlitracht und Zipfelmützentracht aus dem Kanton Freiburg

Hier haben die beiden Trachten auf dem Bild eigentlich nichts miteinander zu tun: Die Frau trägt eine Chränzlitracht, eine der ältesten existierenden Festtagstrachten der Schweiz. Ihren Namen verdankt sie dem glitzernden, «Chränzli», welches aus «Silberflitterli», farbigen Stoffblümchen, Bouillondraht, Pailletten, Schaum- und Glasperlen hergestellt ist. Die Tracht wurde bereits im 17. Jahrhundert getragen und enthält Elemente aus verschiedenen Epochen: Die Halskrause stammt aus dem 16. Jh., die Seidenbänder aus dem 18. Jh. und die weissen Handorgelärmel aus dem 20. Jh. Heute wird die Tracht nur noch in den Gemeinden Düdingen, Heitenried und Tafers getragen.

Der Mann trägt die Zipfelmützentracht der Düdinger Musikgesellschaft: Sie ist im Gegensatz zur Chränzlitracht um einiges neuer: Die Zipfelmützentracht wurde 1909 eingeführt, 1934 endgültig angeschafft und 1978 letztmals vollständig in der bisherigen Art erneuert. Speziell ist: Auch die Musikantinnen tragen die Männertracht.

Im Kanton Freiburg gibt es grosse Unterschiede zwischen den verschiedenen Trachten. Sie unterscheiden sich durch die konfessionelle Zugehörigkeit (reformiert oder katholisch), aber auch durch die deutsch-französische Sprachgrenze.

Kantonale Arbeitstracht aus Graubünden

Im Kanton Graubünden wird – ausser im Puschlav – diese Arbeitstracht getragen: Die Frau trägt eine gewobene Schürze mit Längsstreifen, die mit der Rockfarbe übereinstimmen muss. Auch das Wolltuch über den Schultern soll farblich zu der Stickerei der Schürze passen. Der Mann trägt lange dunkelgraue Hosen, ein langärmliges, besticktes Hemd, einen Filzhut und ein rotes Brusttuch (Gilet). Trägt er einen bestickten Gurt, wie der Mann auf dem Bild, wird das Brusttuch offen getragen. Zur Bündner Herrentracht gehört korrekterweise noch ein «Tschoppen», der aber zum Tanzen nicht getragen wird und auf dem Bild nicht zu sehen ist.

Die Arbeitstracht der Frau kann auch mit Kurzarmbluse und Sommerhut getragen werden. Bei der Männertracht gibt es nebst der langen Hose auch die Variante mit der Kniehose.

Typisch für Graubünden ist bei der Frau die gewobene Schürze mit Längsstreifen und das Wolltuch und beim Mann der bestickte Gurt (Gobelin oder Nadelmalerei).

Festtagstracht und Bourgeoise-Tracht aus dem Tessin

Im Allgemeinen sind die Trachten im Tessin eher einfach, haben keinen besonderen Schmuck und spiegeln die ärmlichen Lebensbedingungen des Kantons in der Vergangenheit wider. Eine Ausnahme bildet die Tracht der Frau auf dem Bild.

Es handelt sich um eine Tracht der Bourgeoisie von Giornico, einer Gemeinde in der Leventina. Die Frauen von Giornico präsentierten sich mit Kleidern aus teureren Stoffen: Ein Mieder (Oberteil der Tracht) aus Brokat mit einem Rock aus demselben Stoff oder aus Wolle, eine mit Spitze verzierte Leinenbluse und eine Haube, ebenfalls aus Spitze. Die Schürzen und Tücher sind aus Seide und die Netzhandschuhe selbstverständlich handgefertigt.

Dass das Bürgertum des Leventina-Tals so teure Trachten trägt, hat einen geschichtlichen Hintergrund: Durch die Erhebung von Zöllen auf der Gotthard-Transitstrecke erreichten sie einerseits einen gewissen Wohlstand und konnten andererseits bei Händlern, die auf dem Weg nach Norden vorbeikamen, feine Stoffe kaufen.

Die Tracht des Mannes ist eine typische Festtagstracht der leventinischen Bauern. Dazu gehören eine Moleskinhose (Baumwollstoff), ein weisses Leinenhemd, eine Weste und ein Hut. Besonders interessant sind die ausgehöhlten Holzschuhe. Diese spiegeln die Armut des Kantons in der Vergangenheit wider – nur reiche Leute konnten sich Schuhe aus Leder leisten.

Auch im Tessin gibt es keine einheitliche Tracht, jede Region, teilweise sogar jedes Tal, hat eine eigene Tracht.

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