GLP-BERTSCHY GEGEN SP-MARTI IN DER BVG-«ARENA»: «SIE WOLLEN EINFACH EINE VOLKSPENSION»

In einer verhältnismässig unspektakulären «Arena» debattierten vier Frauen aus Politik und Gewerkschaft über ein noch unspektakuläreres, aber umso wichtigeres Thema: die BVG-Reform.

Schon oft wurde es versucht, meist ist man gescheitert, praktisch immer wurde man kritisiert – wer die berufliche Vorsorge reformieren möchte, hat einen schweren Stand. Das Parlament hat nun nach jahrelangem Hin und Her einen Kompromiss auf den Tisch gelegt, den Bundesrätin Baume-Schneider anfangs dieser Woche präsentiert hat.

Die Gewerkschaften haben daraufhin das Referendum gegen diese BVG-Reform ergriffen; am 22. September darf das Stimmvolk darüber abstimmen. In der SRF-«Arena» diskutierten anlässlich der geplanten Reform

  • Samira Marti, Co-Fraktionspräsidentin SP
  • Nicole Barandun, Nationalrätin Die Mitte/ZH
  • Kathrin Bertschy, Nationalrätin GLP/BE, Co-Präsidentin Alliance F
  • Gabriela Medici, Leiterin Sozialpolitik Schweizerischer Gewerkschaftsbund

darüber, ob die BVG-Reform nun Fluch oder Segen ist – und wer tatsächlich davon profitiert. Während die Pro-Fraktion Barandun/Bertschy von Vorteilen für Frauen, Teilzeitarbeiter und Menschen mit geringem Einkommen sprechen, sehen die Gegner Marti/Medici sinkende Renten, vor allem für ältere Menschen.

Was sieht die Reform vor?

Die BVG-Reform besteht im Grossen und Ganzen aus fünf Teilmassnahmen. Zum einen soll der Umwandlungssatz aus der PK-Rente von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt werden. Um dies zu kompensieren, sieht die Reform Rentenzuschläge für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen vor. Weiter soll die Eintrittsschwelle in die berufliche Altersvorsorge von 22'050 Franken auf 19'845 Franken gesenkt werden. Zudem soll der Koordinationsabzug statt eines fixen Betrages neu 80 Prozent der AHV ausmachen. Und schlussendlich sieht die Reform eine Altersgutschrift, also eine Senkung des PK-Beitrages für Arbeitnehmer zwischen 40 und 65 Jahren vor.

Viele Massnahmen, viele Wirkungen

Wer bei diesem riesigen Massnahmen-Paket den Überblick verloren hat oder nicht draus kommt, dem sei verziehen – es kann durchaus als Schwäche gesehen werden, dass die Reform aus diversen Massnahmen und somit unterschiedlichen Profiteuren und Lastenträgern besteht.

Tatsächlich ist die Vorlage dermassen komplex, dass sogar die befürwortende Bundesrätin Baume-Schneider allen Versicherten rät, sich bei der eigenen Pensionskasse zu erkundigen, was die BVG-Vorlage für sie persönlich für Auswirkungen hätte. Kathrin Bertschy von der GLP betont dabei, dass es sehr wohl auch gesicherte Daten (aus der selbst in Auftrag gegebenen Studie) gebe, die die Auswirkungen der Vorlage aufzeigen – beispielsweise, dass schlussendlich doppelt so viele Menschen eine höhere Rente erhalten als eine tiefere.

Und: «Dass man das BVG modernisieren muss, wenn man es erhalten möchte, ist uns allen bewusst.» Es gäbe nämlich gewisse Kreise, die gar keine berufliche Vorsorge möchten, sondern eine Volkspension einführen wollten, sagt sie und deutet in Richtung der SP-Co-Fraktionspräsidentin Samira Marti. «Dann ist es natürlich naheliegend, wenn man nicht will, dass das BVG für Teilzeit- und kleine Einkommen funktioniert.»

Bertschy wirft Marti vor, eine Volkspension zu wollen
Video: watson/arena

Marti geht aber nicht auf die Provokation ein. Sie geht lieber auf den Punkt ein, dass die Senkung des Umwandlungssatzes unnötig und deshalb die Vorlage nicht tragbar sei.

Dazu macht sie das Beispiel einer 50-jährigen Frau, die bei einem Lohn von 4500 Franken pro Monat nun 147 Franken monatlich mehr einzahlen müsste, aber dafür 8 Franken weniger Rente erhalten würde. Denn: «Das ist nicht wegen des Koordinationsabzugs, da sind wir uns ja einig, sondern wegen der Senkung des Umwandlungssatzes».

Geht es den Frauen dann wirklich besser?

Ein Punkt, um den sich die Diskussion immer wieder dreht, sind die Frauen. Logisch, denn diese sind gemäss dem Ja-Lager mitunter die grössten Profiteurinnen der Vorlage. Die Studie, die GLP-Bertschy früh in der Sendung hervorholt, besagt unter anderem, dass gut 275'000 Frauen bei einer Annahme der Vorlage eine höhere Rente erhielten – das sind viermal mehr als diejenigen, deren Rente dadurch tiefer ausfallen würde.

Doch das Nein-Team kann dies nicht unkommentiert lassen, mit einem schelmischen Lächeln zerpflückt SP-Marti die präsentierten Zahlen: «Was Sie hier nicht sagen, ist, dass diejenigen Personen, die Ergänzungsleistungen beziehen, nicht in dieser Studie eingerechnet sind.» Und schliesslich betreffe dies jede siebte Frau in Pension.

Die Reform sei für diese Frauen besonders unfair, zumal sie nun mehr einzahlen müssten und eine steigende Rente im Alter zu einer Kürzung der Ergänzungsleistungen führen würde – sie sähen «keinen Rappen mehr».

Das spielt der Mitte-Frau Nicole Barandun den Ball direkt vor die Füsse. Es sei ja mitunter eines der Kernanliegen der 13.-AHV-Initiative gewesen, dass man durch die gesteigerte (AHV-)Rente mehr Menschen aus dem System EL heraushalten könne. Dieselbe Idee greife auch hier: «Ich finde, es ist viel besser, wenn wir den Frauen die Möglichkeit geben, eine eigene Pensionskasse aufzubauen, [...] statt dass man dann Ergänzungsleistungen beantragen muss.»

Moderator Brotz hört da heraus, dass man sich nicht schämen sollte, besagte EL zu beantragen. Das sei falsch, meint die Mitte-Frau:

Barandun will die Frauen aus den EL holen
Video: watson

Die Jungen profitieren – aber es interessiert sie nicht

Es sei erwähnt, dass mehrere Sekundarklassen zu Besuch in der «Arena» sind. Die Schülerinnen und Schüler auf den Bänken sind nicht zu beneiden, denn das Thema ist trotz grosser politischer Bedeutung zum Gähnen langweilig. Und es wird auch während der ganzen Sendung nicht mit den harten Bandagen gekämpft, die man auch schon in der «Arena» gesehen hat. Man könnte fast meinen, die Abwesenheit einer SVP-Vertretung macht sich bemerkbar.

Sandro Brotz gibt einigen der Jünglinge das Wort – ob sie sich denn schon Gedanken über ihre zweite Säule gemacht hätten. Es ist nicht verwunderlich, dass die 16-jährigen Mädchen dies verneinen – sie haben noch nicht einmal eine Lehre begonnen. Dabei geht es nicht mehr lange, bis sie effektiv vom BVG betroffen sind.

Samira Marti sieht sie, diese jungen, arbeitenden Frauen, tatsächlich als Profiteurinnen der Reform. Doch gibt es natürlich einen Haken an der Sache:

Marti will nicht, dass Frauen immer schlecht verdienen
Video: watson

Mitte-Barandun geht auf diese geschilderte Problematik nicht gross ein – sie erklärt lieber, dass diese Vorlage viele Punkte enthalte, die seit vielen Jahren von vielen geteilt und jetzt erfüllt würden. «Vielleicht nicht so, wie es sich jede Partei vorstellt, aber so funktioniert halt die Politik.» Und prompt leitet sie den Fokus darauf, dass endlich die älteren Semester auf dem Arbeitsmarkt besser gestellt würden.

Das hat freilich wenig mit der «verlorenen Generation» zu tun, die Samira Marti angesprochen hat. Ein Schelm, wer denkt, das Ja-Lager hätte hier die konkrete Diskussion umschiffen wollen.

Aber das wäre ja nichts Neues in der «Arena». Apropos: Jetzt ist Sommerpause, weiter verbal gefochten wird dann im August. Und spätestens im September wieder über die BVG-Reform.

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