MASUD PEZESHKIAN VORN BEI DER PRäSIDENTSCHAFTSWAHLEN IN IRAN: EIN ETAPPENSIEG FüR DIE MODERATEN

Als am Samstagmorgen die Stimmen der ersten Runde der iranischen Präsidentschaftswahlen ausgezählt waren, stand fest: Dem einzigen moderaten Kandidaten war zumindest ein Etappensieg gelungen. Masud Pezeshkian, so die offiziellen Ergebnisse, erreichte 44 Prozent der Stimmen. Damit liegt der Reformer knapp vor seinem ärgsten Konkurrenten Said Jalili – einem erzkonservativen Falken.

Da aber keiner der beiden die absolute Mehrheit erzielte, muss die Entscheidung nun am nächsten Freitag in einer zweiten Runde fallen. Insgesamt waren vier Kandidaten angetreten, um sich für die Nachfolge des vor anderthalb Monaten bei einem Helikopterunglück verstorbenen Ebrahim Raisi für das nominell höchste Regierungsamt in der Islamischen Republik zu bewerben.

Abgesehen von Pezeshkian handelte es sich dabei ausschliesslich um Vertreter der Konservativen. Neben Jalili präsentierten sich der aktuelle Parlamentspräsident Mohammed Bagher Ghalibaf und der frühere Justizminister Mostafa Pour-Mohammadi. Beide landeten abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Zwei weitere konservative Kandidaten hatten bereits in den Tagen vor der Wahl das Handtuch geworfen.

Die Wahlbeteiligung war erneut extrem tief

Die Auswahl an Bewerbern war bereits zuvor von dem konservativen Wächterrat stark eingeschränkt worden. Viele pragmatische Vertreter bekamen von vornherein keine Zulassung. Entsprechend niedrig war auch die Wahlbeteiligung. Gerade einmal 40 Prozent aller Iraner begaben sich an die Urnen – noch weniger als 2021, als Raisi bei einer ebenfalls stark eingeschränkten und von vielen ignorierten Wahl einen Erdrutschsieg erzielte.

Nach dem erzkonservativen Raisi könnte diesmal wieder ein moderater Kandidat gewinnen. Denn der in Führung liegende Pezeshkian gilt im Vergleich zu dem aus dem Sicherheitsapparat stammenden Jalili als gemässigt. Der Herzchirurg und Parlamentarier aus der nordwestiranischen Stadt Mahabad war einst Gesundheitsminister unter dem Reformpräsidenten Mohammed Khatami und wird in seiner Kampagne von Pragmatikern wie dem früheren Aussenminister Mohammed Javad Zarif unterstützt.

Im Wahlkampf gab sich Pezeshkian konziliant. Er kritisierte die harte Hand, mit der die iranischen Sicherheitskräfte im Herbst 2022 gegen Proteste vorgegangen waren, die nach dem Tod der Studentin Mahsa Amini in der Haft der Moralpolizei überall im Land ausgebrochen waren. Zudem warb er für einen lockereren Umgang mit den inzwischen extrem verschärften Kleidungvorschriften und versprach, die Beziehungen Irans zum Westen zu verbessern.

Der Einfluss des Präsidenten ist beschränkt

Allerdings gilt Pezeshkian als treuer Anhänger des Revolutionsführers Ayatollah Ali Khamenei. Zudem bezeichnet er sich als Unterstützer der mächtigen Revolutionswächter, deren Generäle die Sicherheits- und Aussenpolitik Irans massgeblich bestimmen. Viele vom konservativ-autoritären Kurs der Führung enttäuschte Iraner liess der Kandidat deshalb kalt. «Viele meiner Freunde haben den Glauben in die Reformierbarkeit des Systems längst verloren», sagt eine Exiliranerin über das Desinteresse ihrer Landleute zu Hause.

Zumindest in der zweiten Runde wäre Pezeshkian aber auf eine höhere Wahlbeteiligung angewiesen, will er Jalili schlagen, auf den sich dann sämtliche konservative Stimmen vereinen dürften. Je weniger Iraner wählen gehen, desto eher steigt die Chance, dass die Konservativen gewinnen. Gleichzeitig scheint aber auch die iranische Führung um Khamenei ein Interesse an einer höheren Beteiligung zu haben. So rief der Revolutionsführer höchstpersönlich die Iraner immer wieder dazu auf, wählen zu gehen.

Sollte Pezeshkian in einem zweiten Wahlgang triumphieren, wäre sein Einfluss stark beschränkt. Denn die wahre Macht im Staate – das mussten Pezeshkians moderate Vorgänger Mohammed Khatami und Hassan Rohani schmerzlich erkennen – liegt bei Khamenei und den Befehlshabern der Revolutionswächtern. Allerdings könnte ein moderaterer Präsident die bleierne Stimmung etwas lockern, die seit den brutal niedergeschlagenen Protesten vor zwei Jahren im Land herrscht.

Auf Konfrontationskurs mit dem Westen

Khamenei und sein innerer Kreis könnten genau darauf setzen. Der greise Revolutionsführer muss sich derzeit um seine Nachfolge kümmern und dürfte kein Interesse an inneren Unruhen haben. Aber auch angesichts der angespannten regionalen Lage könnte den Machthabern eine moderatere Stimme im Präsidentenpalast durchaus gelegen kommen. Denn Iran leidet nicht nur seit Jahren unter einer schweren Wirtschaftskrise. Es befindet sich auch auf Konfrontationskurs mit dem Westen.

So droht das Land angesichts des Gaza-Krieges, welches die von Teheran unterstütze Hamas ausgelöst hat, in einen Krieg mit Israel und schlimmstenfalls sogar den USA hineingezogen zu werden. Bereits Mitte April lieferten sich die beiden Erzfeinde einen direkten Schlagabtausch. Nun droht die Lage angesichts der Spannungen in Libanon, wo die proiranische Hizbullah-Miliz seit Monaten einen Grenzkrieg gegen Israel führt, erneut zu eskalieren.

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