HEFTIGES GEWITTER VERURSACHT IN DER WESTSCHWEIZ MILLIONENSCHäDEN

Mit diesem Ausmass hatte niemand gerechnet. Innerhalb von weniger als zwei Stunden sind am Dienstag in der Waadtländer Gemeinde Cossonay 41 Millimeter und in Reverolle 53 Millimeter Regen gefallen. In L’Auberson wurde sogar ein Rekord von 98 Millimetern gemessen.

Dieser plötzliche Starkregen sorgte dafür, dass der Fluss Morges, der vom Jurafussplateau durch das Waadtländer Mittelland bis in die gleichnamige Stadt am Genfersee fliesst, in kurzer Zeit erheblich anstieg und an mehreren Stellen über die Ufer trat. Es handelt sich um ein Jahrhunderthochwasser, mit einer Abflussmenge von 43 Kubikmetern pro Sekunde.

Im historischen Kern der Stadt Morges sind die Auswirkungen besonders gut sichtbar: Zahlreiche Keller und Hauseingänge wurden überflutet, in einigen Restaurants und Geschäften an der zentralen Grand-Rue stand das Wasser bis zu fünfzig Zentimeter hoch. «Es war unglaublich, das hat hier noch niemand so erlebt», sagte Mélanie Zanatta. Sie arbeitete am Dienstagabend in einem Café in der belebten Einkaufs- und Flanierstrasse, als es begann, in Strömen zu regnen. «Auf einmal kamen riesige Wassermassen von Richtung Fluss die Strasse hinauf.»

Das geschah so schnell, dass kaum jemand Zeit hatte, zu reagieren. «Wir versuchten, das Gitter des Abwasserkanals vom vielen Schwemmholz zu befreien, damit das Wasser ablaufen konnte», sagte Zanatta. Doch vergeblich. Das Hochwasser trat in die Häuser ein. Zwanzig Zentimeter hoch stand das Wasser im Café. «Ich begann, mit Eimern abzuschöpfen. Zum Glück halfen die Nachbarn sofort mit – diese Solidarität war sehr schön», sagte Zanatta.

Am stärksten betroffen sind Gebäude in unmittelbarer Nähe des Ufers der Morges, das Parkhaus der Migros, das voller Wasser stand, wie auch die Unterführung beim Bahnhof. Doch auch in den ländlichen Gebieten kam es zu Überschwemmungen.

Genfer Luftraum gesperrt

Nicht nur im Kanton Waadt, auch in Genf hat das Gewitter Schäden verursacht. Am Flughafen Genf schloss die Flugsicherung Skyguide den Luftraum am Dienstagabend vorübergehend. Grund dafür war eine Überschwemmung im Untergeschoss des Kontrollzentrums, was die Kühlung des Rechenzentrums beeinträchtigte, so dass für die Flugsicherungssysteme Überhitzungsgefahr bestand. «Clear the sky», so lautete die Anordnung von Skyguide an alle Flugzeuge: Sie mussten den betroffenen Luftraum sofort verlassen.

Während in Genf kurz nach Mitternacht die ersten Flugzeuge wieder landen und starten konnten, waren im Waadtland die Einsatzkräfte die ganze Nacht beschäftigt. Über zweihundert Mal mussten sie ausrücken, unter ihnen neben anderen die professionelle und die freiwillige Feuerwehr, der Zivildienst und die Polizei. Unterstützung kam aus dem ganzen Kanton.

So schnell, wie das Wasser gestiegen war, so schnell floss es auch wieder ab. Nur hinterliess es Schlamm, Schmutz und Schwemmholz. Am Mittwochmorgen sah man in der Stadt an jeder zweiten Ecke Fahrzeuge der Abwasserbeseitigung, die Wasser aus Kellern pumpten, oder Menschen in Gummistiefeln, die mit Schlauch und Besen den Boden vor ihren Lokalen putzten.

«Ich bin sehr dankbar für die grossartige Leistung aller beteiligten Personen», sagte die Stadtpräsidentin von Morges, Mélanie Wyss, am Mittwochmorgen an einer Medienkonferenz. Durch die gute Koordination habe man es geschafft, dass die Stadt am nächsten Tag wieder in einem funktionalen Zustand aufgewacht sei. Das heisst, die Strassen waren grösstenteils wieder befahrbar, der öffentliche Verkehr zirkulierte, die Schulen waren offen.

Niemand sei verletzt worden, die Stadt sei mit Sachschäden davongekommen, so Wyss. Gemäss einer ersten Schätzung der kantonalen Gebäudeversicherung Waadt, ECA Vaud, dürften sich diese im ganzen Kanton auf rund zwanzig Millionen Franken belaufen.

Morges nicht im Risikosektor

Hätte der Schaden vermindert werden können? Seit mehreren Jahren wird über eine Renaturierung des Flusses Morges diskutiert, um Hochwasser vorzubeugen. «Die Arbeiten am Projekt laufen. Aber selbst wenn diese bereits umgesetzt wären, hätte es die Situation nicht verändert», so Wyss.

Ein Notfallplan für ein solches Szenario habe nicht bestanden, so die Stadtpräsidentin. Auf kantonaler Ebene hingegen gebe es eine Notfallplanung für Hochwasser, sagte Florian Cuche, Leiter Brandschutz und Rettungseinsätze der kantonalen Gebäudeversicherung. In gewissen Sektoren mit hohem Risiko seien sogar spezifische Notfallpläne vorhanden – nur gehörte Morges nicht zu einem Risikosektor.

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