TESSINER REGIERUNGSRAT NORMAN GOBBI ZUM UNWETTER IN TESSIN: «DIE STIMMUNG IST SEHR GEDRüCKT»

Nach dem Unwetter ist Tessiner Regierungsrat Norman Gobbi besorgt über die Lage in den Tessiner Dörfern. Und entwarnt besorgte Touristen: Sie sollen im Sommer trotzdem kommen. Bei der Anreise durch den Gotthard dürfte es allerdings Geduld brauchen.

In der Nacht auf Sonntag haben heftige Unwetter die Schweiz getroffen. Im Tessiner Maggiatal gab es schwere Hochwasser, drei Menschen sind bei einem Erdrutsch gestorben. Die Zerstörung ist riesig. Der Tessiner Regierungsrat und alt Lega-Nationalrat Norman Gobbi (47) gibt Blick Auskunft über die Lage im Kanton.

Herr Gobbi, im Tessin wurden Häuser und Brücken zerstört, es gab Todesopfer. Wie ist die Stimmung?Die Stimmung ist vor allem im oberen Maggiatal sehr gedrückt. Der Gemeindepräsident von Lavizzara hat es gesagt: Wir hätten nie gedacht, dass wir so etwas erleben. Verschiedene Häuser und Ferienhäuser sind betroffen, auch ein Bauernhof wurde komplett zerstört. In Prato Sornico hat es das Eis- und Sportzentrum – das auch wichtig ist für Anlässe – stark getroffen. Nach einem solchen Unwetter ist die Angst gross, dass die Leute das Leben dort hinterfragen. Wir müssen nun alle Kräfte einsetzen, damit diese abgelegenen Regionen attraktiv bleiben.

Wie kommuniziert man derzeit mit den betroffenen Dörfern?Es ist momentan nicht einfach, mit den kleinen, abgelegenen Dörfern zu kommunizieren und alle Bewohner zu erreichen. In dem oberen Vallemaggia sind die Mobilfunknetze noch nicht wieder in Betrieb. Wir versuchen, das wieder zu beheben. Die Einsatzkräfte können glücklicherweise mit dem Sicherheitsnetzwerk Polycom kommunizieren. Momentan arbeitet der regionale Führungsstab daran, die Menschen mithilfe von Push-Mitteilungen zu erreichen, damit alle wissen, wo die Sammelpunkte sind.

Was sind die mittelfristigen Prioritäten?Erst einmal müssen wir das Trinkwasser und die Mobilfunk- und Elektrizitätsversorgung sicherstellen. Verschiedene Dörfer sind derzeit von der Versorgung abgeschnitten. Das Baudepartement will auch testen, ob die Velobrücke der alten Valmagginabahn in Cevio für Kleinfahrzeuge stabil und belastbar genug ist. Dann wären verschiedene Dörfer immerhin wieder erreichbar.

Vergangene Woche gab es Todesopfer beim Unwetter im Misox, gestern im Maggiatal. Macht man sich Sorgen über zukünftige Unwetter?Alle Alpenregionen sind betroffen, es wird immer schwieriger, diese Ereignisse zu verhindern. Wir sind mit anderen Gebirgskantonen dran, Strategien zu erarbeiten. Das ist wichtig für die ganze Schweiz. Die Kantone Wallis, Tessin und Graubünden sind strategisch wichtig für die schweizweite Energieversorgung.

Muss man die Hochwasserstrategie überdenken?Diese Bemühungen gibt es, aber es ist schwierig, für ein solches Jahrhundertereignis vorzusorgen. Wir müssen das anschauen und die präventiven Massnahmen verstärken. Vor allem, um die Dörfer besser schützen zu können.

In den ersten Kantonen haben die Sommerferien begonnen. Sollen Touristen geplante Ferien im Tessin absagen?Die Touristen sollen trotzdem kommen, das wollen die Tessiner. Es braucht aber Geduld am Gotthard. Wegen des Unwetters im Misoxtal hat der Transitverkehr am Gotthard zugenommen, da wird es zu langen Wartezeiten kommen.

Müssen die Touristen Angst haben?Nein. Das Tessin ist einer der sichersten Kantone der Schweiz.

Letztes Jahr gab es im Tessin eine Hitzewarnung, dieses Jahr Überschwemmungen. Raten Sie den Deutschschweizer Senioren, noch ins Tessin zu ziehen?Die Lage im Tessin ist nach wie vor angenehm. Wir haben frische Bergluft und warme Sommer. Es gibt keinen Grund, nicht mehr ins Tessin zu ziehen.

Trotz möglicher Unwetter, die in Zukunft drohen?Bergregionen wie das Tessin brauchen den Tourismus. Die Herausforderungen der Zukunft werden den gesamten europäischen Kontinent betreffen. Das Tessin wird immer ein einladender und sicherer Ort bleiben.

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