PRESSEFREIHEIT JA – ABER DOCH NICHT FüR ALLE: DIE CHEFREDAKTION DER «TAZ» SCHREIBT AN DEN DEUTSCHEN FINANZMINISTER

Die linksalternative Tageszeitung «TAZ» tritt seit je für die Pressefreiheit ein. Sie hat dazu einen eigenen Schwerpunkt auf ihrer Website. Doch offenbar umfasst dieses Freiheitsverständnis kein möglichst breites Spektrum der Presse. Die beiden Chefredaktorinnen Ulrike Winkelmann und Barbara Junge haben sich nun jedenfalls in einem offenen Brief an den deutschen Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner darüber beschwert, dass dieser ihre Zeitung mit dem Boulevardportal «Nius» gleichgesetzt habe.

Die Vorgeschichte: Lindner hatte am 31. Mai zunächst der «TAZ» ein Interview gegeben. Knapp einen Monat später setzte er sich dann bei «Nius» vor die Kamera und stellte sich den Fragen des Journalisten Ralf Schuler. Dieser hat in der Branche zwar einen tadellosen Ruf, nicht aber sein Chef. Bei «Nius» bestimmt der frühere «Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt, wo es langgeht. Und der steht für einen Boulevard klar rechts der Mitte, der vor allem im Umgang mit den Grünen keine Gefangenen macht.

Lindner schrieb vergangene Woche auf der Plattform X, dass «die Pluralität der Medienlandschaft» ein hohes Gut sei. Und er illustrierte diese Feststellung mit einem Verweis auf seine Interviews mit der «TAZ» und mit «Nius».

Das gefiel den «TAZ»-Chefredaktorinnen Winkelmann und Junge überhaupt nicht. «Bei ‹Nius› handelt es sich um eine unappetitliche, rechtslastige Website», schrieben die «TAZ»-Frauen an Lindner. «Sie ist das Spielzeug eines von seinem Eishockeyklub offenkundig gelangweilten Milliardärs, der ehemalige Mitarbeiter des Springer-Verlags um sich versammelt hat, die dort nicht mehr satisfaktionsfähig waren.» Mit dem Milliardär ist der Koblenzer IT-Unternehmer Frank Gotthardt gemeint, der Investor hinter «Nius» und Besitzer des Eishockeyklubs Kölner Haie.

Widerspruch in der Kritik nicht bemerkt

In ihrem Brief suggerieren die «TAZ»-Journalistinnen, Lindner fische auf der Suche nach Wählerstimmen wohl am rechten Rand. «Zur Begründung des Interviews allerdings ‹Pluralität›, also die Pressefreiheit zu bemühen, die unsere Demokratie von Autokratien und Diktaturen so essenziell unterscheidet, schmerzt unbeteiligte Zuschauerinnen wie uns», schreiben Winkelmann und Junge, das Wort Pluralität in Anführungszeichen setzend. Die «TAZ» sei, im Gegensatz zu «Nius», ein Medium, das nach «presseethischen Grundsätzen» arbeite.

Den Widerspruch in ihrer Kritik scheinen die Briefschreiberinnen nicht zu bemerken: Einerseits prangern sie die mangelnde Pressefreiheit in aller Welt an. Andererseits greifen sie im eigenen Land einen Minister an, weil der ein Medium für einen adäquaten Gesprächspartner hält, dessen Ton und politische Ausrichtung ihnen missfällt.

Das knapp einstündige Interview, das der Journalist Ralf Schuler mit dem Finanzminister geführt hat, ist übrigens sehr sachlich.

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