UKRAINE-KRIEG - STIMMEN UND ENTWICKLUNGEN - PUTINS ARMEE-PROBLEME: „IN DEUTSCHLAND GIBT ES IMMER DIESE TRAUMBILDER VON RUSSLAND“

Militärökonom Marcus Keupp hat in einem großen Interview über die massiven Material-Probleme der Russen gesprochen. Bei erneuten russischen Bombenangriffen gibt es viele Tote und Verletzte in Donezk. Alle Nachrichten zum Krieg gegen die Ukraine im Newsticker.

Militärexperte über Putins Probleme: „In Deutschland gibt es immer diese Traumbilder von Russland“

Samstag, 29. Juni, 11.20 Uhr: Immer wieder sind die Materialprobleme der russischen Armee Thema im Ukraine-Krieg. Der Militärökonom Marcus Keupp hat sich in den vergangenen Monaten mehrfach zur Abnutzungsrate der Russen geäußert und errechnet, wann Putins Truppen das Material ausgeht. In einem Interview mit der „FAZ“ greift er das Thema erneut auf. Mithilfe von Satellitenbildern hat Keupp analysiert, wie viele Panzer die Russen bereits verloren haben - nämlich 3000 seit Kriegsbeginn.

Dagegen stehen 300 bis 500 neugebaute Panzer pro Jahr. „Wenn sie aber vier pro Tag verlieren, merken Sie, das kommt nicht hin“, so Keupp. Was die Frage aufwirft: „Woher nimmt Russland die Differenz?“ Und Keupp führt aus: „Dann schauen Sie auf die Satellitenfotos und stellen plötzlich fest, dass sich die alten sowjetischen Militärlager mit massiver Geschwindigkeit leeren.“

Das sorgt für massive Probleme bei den russischen Truppen. „Es kommt immer älteres und schlechteres Material auf das Kampffeld“, sagt Keupp. Da die russische Rüstungsindustrie ein „unglaublich korruptes und ineffizientes Konglomerat“ sei, fehle die „Geschwindigkeit und Intensität, die benötigt würde, um den Krieg in seiner jetzigen Form aufrechtzuerhalten“. Keupps Schlussfolgerung: „Die Zeit läuft gegen Russland.“

Im Krieg merke man das bereits an einigen Stellen: „Die ursprüngliche Invasionsarmee von 2022 ist materiell und personell vernichtet“, erklärt Keupp. Seit den ersten gescheiterten koordinierten Angriffen sei Russlands Kriegsführung eine „Dauerimprovisation“. Keupp weiter: „Es gibt Videos, wie russische Infanteristen auf Motorrädern, Quad Bikes und Golf Carts vorrücken, ohne jede Panzerung. Eine Armee, die so vorgeht, hat ein Problem.“

In dem Interview spricht der Militärökonom auch über das deutsche Bild von Russland. Immer wieder gibt es Stimmen, die warnen, Russland zu unterschätzen. Argumente dafür sind die hohen Einnahmen aus Öl und Gas sowie Technik und Munition aus anderen Staaten. Hier sieht Keupp lediglich „Pseudoargumente“. „Warum hat Russland dann nicht schon längst gewonnen, wenn es doch so groß und mächtig ist?“ Und er schließt an: „In Deutschland gibt es immer diese Traumbilder von Russland: das Märchen vom Land der unendlichen Ressourcen. In anderen Ländern ist das nicht so, da wird Russland realistischer gesehen.“

Tote und Verletzte bei russischen Bombenangriffen im Donezker Gebiet

Freitag, 28. Juni, 15.51 Uhr: Bei russischen Bombardements sind in der Siedlung Nju-Jork (New York) in der Ostukraine mindestens vier Zivilisten getöteten worden. Drei weitere wurden verletzt, wie die Staatsanwaltschaft des Gebiets Donezk am Freitag mitteilte. Die Angreifer hätten unter anderem eine Gleitbombe mit einer Masse von 250 Kilogramm eingesetzt, die mehrere Wohnhäuser beschädigt habe. An dem Frontabschnitt nahe der Stadt Torezk hatten russische Truppen zuletzt ihre Angriffe intensiviert und kleinere Gebietsgewinne erzielt.

Der Gebietsverwaltung zufolge sind zudem am Vortag durch russischen Beschuss bei Kurachowe und um Torezk mindestens drei Menschen getötet und fast 20 verletzt worden. Mehr als 30 Wohngebäude seien beschädigt worden. Die Ukraine wehrt seit über zwei Jahren eine russische Invasion ab. Russland verlangt vom Nachbarstaat unter anderem die vollständige Abtretung des Donezker Gebietes.

Zwei Dutzend Wehrpflichtige an der Flucht aus der Ukraine gehindert

16.33 Uhr: Der ukrainische Grenzschutz hat zwei Dutzend wehrpflichtige Männer an der Flucht aus dem Kriegsland gehindert. Die Gruppe sei bei der Ortschaft Kelmenzi an der Grenze zu Moldau im westukrainischen Gebiet Tscherniwzi (Czernowitz) festgenommen worden, teilte die Behörde am Donnerstag mit. Die Wehrpflichtigen stammen demnach aus verschiedenen Landesteilen und hatten vor, im Schutz der Nacht zu Fuß über die grüne Grenze zu flüchten. Fluchthelfern haben den Angaben zufolge pro Person 12 000 Euro kassiert.

Die Ukraine wehrt seit über zwei Jahren eine russische Invasion ab, hat das Kriegsrecht verhängt und eine Mobilmachung angeordnet. Seitdem können Männer im wehrpflichtigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren das Kriegsland nur in Ausnahmefällen verlassen.

EU und Ukraine unterzeichnen Sicherheitsvereinbarung

Donnerstag, 27. Juni, 14.34 Uhr: Die EU hat mit der von Russland angegriffenen Ukraine eine Vereinbarung zur Sicherheitskooperation und langfristigen Unterstützung getroffen. Das Dokument wurde am Donnerstag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sowie von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel unterzeichnet.

EU-Staaten einigen sich auf Sanktionen gegen Russlands Partner Belarus

14.03 Uhr: Die EU-Staaten haben sich auf neue Sanktionen gegen Russlands Partnerland Belarus verständigt. Wie die derzeitige belgische EU-Ratspräsidentschaft am Mittwoch mitteilte, soll mit ihnen insbesondere die Umgehung von bereits bestehenden Russland-Sanktionen erschwert werden. Man verstärke weiter die Maßnahmen in Reaktion auf Russlands Invasion in die Ukraine, hieß es. 

Die Einigung auf das Sanktionspaket wurde den Angaben zufolge bei einer Sitzung der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten bei der EU in Brüssel erzielt. Sie muss nun nur noch in einem schriftlichen Verfahren formalisiert werden. Dann sollen auch Details zu den neuen Maßnahmen veröffentlicht werden.

Belarus ist wegen seiner Unterstützung für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine in Europa weitgehend isoliert. Lediglich Ungarn unterhält aus der EU noch engere Kontakte zu dem Land. Bereits heute gibt es weitreichende EU-Strafmaßnahmen gegen Belarus. Sie umfassen Ausfuhrverbote für Waffen und Güter und Technologien der Luftfahrt-, Weltraum- und Verteidigungsindustrie. Zudem wurde etwa der Ausschluss von vier belarussischen Banken aus dem Finanzkommunikationssystem Swift erlassen und ein Transaktionsverbot mit der belarussischen Zentralbank verhängt.

Bericht: Union lässt Status-Änderung von Ukrainern prüfen

Mittwoch, 26. Juni, 05.02 Uhr: In der Debatte über die Zahlung von Bürgergeld an Geflüchtete aus der Ukraine lässt die Unionsfraktion im Bundestag nach Informationen der „Welt“ (Mittwoch) derzeit eine mögliche Änderung des Status der Menschen prüfen. Sie hätten nach einem „Rechtskreiswechsel“ keinen Anspruch mehr auf Grundsicherung beziehungsweise Bürgergeld, wie es hieß. Das Gutachten soll Fraktionskreisen zufolge im August vorliegen.

Das Gutachten soll laut Bericht ein „Zwischenschritt dafür sein, Ukrainern künftig einen neuen Status zwischen Asylbewerbern und Bürgergeldempfängern verleihen zu können - mit einem geringeren Regelsatz, als er derzeit für das Bürgergeld gilt“.

Mitte Juni hatte die Bundesregierung erklärt, dass sie derzeit keinen Anlass für Änderungen an den staatlichen Sozialleistungen für Ukrainer sehe. Dass sie EU-weit einen einheitlichen Schutzstatus hätten, sorge für eine Entlastung der Länder und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, da keine langwierigen Asylverfahren nötig seien.

Ukraine und Russland tauschen 180 Kriegsgefangene aus

22.59 Uhr: Die Ukraine und Russland haben bei einem weiteren Austausch von Kriegsgefangenen jeweils 90 Soldaten wieder in ihre Heimat entlassen. „Unsere Leute sind zuhause“, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstagabend im sozialen Netzwerk X mit. 

Es handelt sich demnach um Soldaten verschiedener Einheiten der Streitkräfte, einige von ihnen haben auch in Mariupol gekämpft, bevor der Russen die Stadt einnahmen. Die Heimkehrer hätten in den Gebieten Cherson, Donezk, Saporischschja und Luhansk gegen die russische Invasion gekämpft.

„Wir denken an all unsere Menschen in russischer Gefangenschaft. Wir setzen unsere Arbeit fort, um alle herauszukommen“, sagte Selenskyj. Er dankte wie das russische Verteidigungsministerium in einer Mitteilung den Vereinigten Arabischen Emiraten für die Rolle als Vermittler. Beide Seiten veröffentlichten Video von den freigelassenen und glücklichen Soldaten.

90 russische Kriegsgefangene seien von der Ukraine übergeben worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Die Männer seien mit militärischen Transportflugzeugen nach Moskau gebracht worden für eine Behandlung und Rehabilitation in medizinischen Einrichtungen.

Die Gespräche zum Austausch von Kriegsgefangen gehören zu den letzten noch verbliebenen Kontakte zwischen den Konfliktparteien. Kremlchef Wladimir Putin, der den Krieg vor mehr als zwei Jahren am 24. Februar 2022 begonnen hatte, gab die Zahl der russischen Soldaten in ukrainischer Gefangenschaft Anfang des Monats mit 1348 an. Die Zahl der ukrainischen Kriegsgefangenen auf russischer Seite liege dagegen bei mehr als 6000, sagte er.

EU startet Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine

15.52 Uhr: Die Europäische Union hat die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine eröffnet. Vertreter des von Russland angegriffenen Landes und der EU kamen dazu am Dienstag in Luxemburg zu einer ersten sogenannten Regierungskonferenz zusammen.

Internationale Strafgerichtshof: Haftbefehlt gegen russsischen Armeechef und Ex-Minister

13.19 Uhr: Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat offenbar einen Haftbefehl gegen den ehemaligen russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow erlassen. Den beiden würden Angriffe auf zivile Ziele in der Ukraine vorgeworfen. Darüber berichtet „CNN“.

Gericht verurteilt Russland wegen Menschenrechtsverletzungen auf Krim

12.08 Uhr: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Russland wegen Menschenrechtsverletzungen auf der Krim nach der Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel verurteilt. Dies entschieden die Richter am Dienstag in Straßburg und gaben damit einer Klage der Ukraine statt. Russland erkennt die Urteile des Gerichtshofs nicht an.

Russland hat die ukrainische Krim im Jahr 2014 völkerrechtswidrig annektiert und hält die Halbinsel seither besetzt. Bei der nun anstehenden Entscheidung ging es nicht um die Annexion selbst, sondern um das Verhalten russischer Truppen im Anschluss. Die Ukraine beklagte unter anderem Verschleppungen, unrechtmäßige Inhaftierungen, Misshandlungen sowie die Unterdrückung der ukrainischen Medien und der ukrainischen Sprache in Schulen. Außerdem habe Moskau pro-ukrainische Aktivisten nicht nur auf der Krim, sondern in der gesamten Ukraine und in Russland verfolgt.

„Historisches Ereignis“: EU startet Beitrittsgespräche mit Ukraine und Moldau

Dienstag, 25. Juni, 04.17 Uhr: Die EU beginnt an diesem Dienstag die Gespräche für spätere Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau. Die Unterredungen werden am Rande eines EU-Ministertreffens in Luxemburg organisiert, nachdem in der vergangenen Woche die sogenannten Verhandlungsrahmen beschlossen worden waren. Mit ihnen werden die Leitlinien und Grundsätze für die Verhandlungen festgelegt. Es handelt sich nur um den Startschuss für den Prozess, Verhandlungen im eigentlichen Sinne gibt es noch nicht.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem „historischen Ereignis“. „Das ist der Tag, auf den die Ukraine seit Jahrzehnten zustrebt. Und nun wird es Wirklichkeit. Die Ukraine wird niemals vom Pfad zu einem vereinten Europa abzubringen sein, zu unserem gemeinsamen Zuhause für alle europäischen Nationen“, sagte Selenskyj in seiner in Kiew am Montagabend verbreiteten Videobotschaft.

Der Beginn von Beitrittsgesprächen mit der von Russland angegriffenen Ukraine und deren kleinem Nachbarstaat Moldau war bereits bei einem EU-Gipfel im Dezember grundsätzlich beschlossen worden. Gleichzeitig wurde aber vereinbart, dass vor dem Verhandlungsstart alle Reformauflagen erfüllt sein müssen. Dies bescheinigte die zuständige EU-Kommission der Ukraine erst in diesem Monat, nachdem unter anderem Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung, für einen besseren Schutz von nationalen Minderheiten und zur Einschränkung des politischen Einflusses von Oligarchen ergriffen worden waren.

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