LAUT NEW YORK TIMES: DAS SIND DIE 10 BESTEN BüCHER DER ERSTEN JAHRESHäLFTE 2024

Die New York Times ist eine Institution – und zwar auch hinsichtlich der Bewertung von Literatur. Wir haben uns daher mal angesehen, welche Bücher laut New York Times die bisher besten des Jahres sind.

Muss man gelesen haben, denn die New York Times sagt: Das sind die 10 besten Bücher der ersten Jahreshälfte 2024

Und das Schöne ist: Das waren ja nur die ersten sechs Monate dieses Jahres, sprich: Es wird noch eine ganze Menge nachkommen. Leseratten wie wir (und Sie) können sich also freuen.

Mit James erfindet der große US-amerikanische Schriftsteller Percival Everett Mark Twains Literaturklassiker Die Abenteuer des Huckleberry Finn neu – und damit gelingt ihm eins der zehn besten Bücher des Jahres, und zwar nicht nur nach Meinung der New York Times, sondern auch des Esquire. Bei Twain war der Sklave Jim, der Huck den Mississippi hinunter begleitet, ein dummer, einfältiger Mann, doch in James, in dem Everett die Geschichte aus Jims Perspektive erzählt, wird deutlich, dass Jim den Dummen nur spielt. Denn er weiß: Wenn die Weißen wüssten, wie intelligent er ist, wäre das sein Verhängnis. Als er Jim nach New Orleans verkauft werden soll, flieht er stattdessen mit Huck gen Norden in die Freiheit und gerät zusammen mit Huck immer wieder in die Bredouille. James ist ein wahnsinnig toller Roman, der eine Klassiker der US-Literatur noch mal neu erzählt, ihn modernisiert, und dadurch ein weiteres Mal unsterblich macht.

Ebenfalls zweifellos zu den besten Bücher der ersten Jahreshälfte 2024 gehört Dolly Aldertons Am Ende ist es ein Anfang – eine zutiefst anrührende, fesselnde und rührende RomCom in Buchform. In dem Roman, der im Original Good Material heißt, geht es um den 35-jährigen Stand-up-Comedian Andy, der mit seiner Erfolglosigkeit, einer beginnenden Midlife-Crisis und der Trennung von seiner Ex-Freundin Jen zu kämpfen hat. Alderton gelingt es dabei, mit viel Klugheit, Wortwitz und tollen Dialogen den Schmerz des Erwachsenwerdens in Worte zu fassen und dabei an einem konkreten Beispiel eine Allgemeingültigkeit herbeizuschreiben, die allen Lesenden unter die Haut geht.

Dieser Roman aus der Bestseller-Liste der New York Times ist bisher noch nicht auf Deutsch erschienen. Aber allen, die des Englischen mächtig sind, sei das Debüt von Kaveh Akbar dennoch wärmstens empfohlen – zumal sich die Lobeshymnen darüber auftürmen wie frische Pfannkuchen. Sogar Promis wie Natalie Portman sind begeistert, die Schauspielerin hat darüber gesagt: „Dieses Buch vibriert vor Liebe zum Leben, zur Schönheit und zur Sprache. Ich bin voller Ehrfurcht!“ Und sie hat Recht – nicht umsonst gilt Martyr! als eines der besten Bücher der ersten Jahreshälfte 2024 laut New York Times. Es geht darin um den iranisch-amerikanischen Dichter Cyrus, der eine ganze Reihe von Krisen bewältigen muss, insbesondere die Traumata der Einwanderungsgeschichte seiner Familie, auf Wellen von Alkohol mäandernd zwischen der Liebe nach Leben und dem Verlangen nach dem Tod. Ein heftiges und aufwühlendes Debüt.

Feuerjagd spielt in Irland, in einem kleinen Dorf, deren Einwohner*innen unter einem ungewöhnlich heißen Sommer zu leiden haben. Im Mittelpunkt der Geschichte steht der pensionierte Chicagoer Polizist Cal Cooper, der sich um die sichtbaren und unsichtbaren Verbrechen kümmert, die das scheinbar malerische Dorf von innen zerfressen. Das wird nicht besser, als eines Tages der Vater der 15-jährigen Außenseiterin Trey zurückkehrt. „Tana Frenchs Dialoge gehören zu den besten der Branche. Sie zeigt das banale Böse hinter dem lächelnden Gesicht des Dorfes und erinnert uns daran, dass wir solche Orte auf eigene Gefahr unterschätzen“, schreibt die New York Times. Und das bringt es auf den Punkt, daher: Eines der 10 besten Bücher der ersten Jahreshälfte 2024.

Vorab schon mal: Die deutsche Übersetzung namens Verlorene Sterne von Tommy Oranges Wandering Stars (ein Nachfolger zu seinem Debüt Dort Dort) erscheint erst im August, daher: Wer es nicht abwarten kann, diesen wirklich tollen Roman zu lesen, der laut New York Times immerhin zu den besten der ersten Jahreshälfte 2024 gehört, der sollte aufs Original zurückgreifen (oft eh die bessere Variante, wenn man denn des Englischen mächtig ist). Und hierum geht es: Orvil Red Feather ist ein typisches Opfer der Opioidkrise in den USA. Er kam verletzt ins Krankenhaus, wurde geheilt, aber kam als Abhängiger wieder heraus – die klassische Opioidtragödie. Doch der Hang zur Sucht zieht sich durch seine Familie: Auch sein Verwandter Jude Star, der als Kind gegen die brutale Austreibung seiner indigenen Sprache und Kultur ankämpfen musste, war ein Süchtiger – er fand eine Zeit lang Trost im Alkohol. Tommy Orange verbindet die Schicksale dieser Beiden, in denen 150 Jahre Kolonialgeschichte liegen, auf grandiose Weise miteinander. Sehr, sehr lesenswert.

Ein weiterer toller Roman, der laut New York Times zu den besten der ersten Jahreshälfte 2024 gehört, aber erst am 15. Juli auf Deutsch erscheint, ist Rita Bullwinkels Schlaglicht. Der spielt bei einem Frauenboxturnier in Reno und dreht sich um acht Teilnehmerinnen im Teenageralter und ihre körperlichen und emotionalen Kämpfe, ihre Träume, Ängste und Sehnsüchte, die sie alle mit in den Ring bringen. Runde um Runde werden die Kämpferinnen von Bullwinkel beleuchtet, und das geht ordentlich unter die Haut. Die New York Times schrieb dazu: „So frisch und stark. Mach Platz, amerikanische Gegenwartsliteratur, für eine tolle neue Stimme.“

Noch nicht ins Deutsche übersetzt, obwohl der Roman als einer der besten der ersten Jahreshälfte 2024 gilt, ist Beautyland von Marie-Helene Bertino. Es geht darin um ein Mädchen, dass in den Siebzigern in Philadelphia zur Welt kommt und augenscheinlich anders ist: Es handelt sich um Adina, die sehr klein ist, anfangs Gelbsucht hat und…in Wirklichkeit eine Außerirdische ist, die vor ihrer Geburt auf die Erde geschickt wurde, um dort Informationen über die Erde zu sammeln und diese per Fax an ihren Heimatplaneten zu schicken. Beautyland ist ein Roman, dessen Inhaltsbeschreibung womöglich ein wenig trashig klingen mag, der aber ungemein originell ist und von Themen wie Zerbrechlichkeit und Widerstandsfähigkeit aus einer äußerst ungewöhnlichen Perspektive handelt – und gleichzeitig mit Themen wie Fremdartigkeit, Spionage und Immigration sehr aktuell ist.

Denkt man an den vielfach ausgezeichneten indisch-britischen Schriftsteller Salman Rushdie, denkt man vor allem an zwei Dinge: Erstens an den Skandal, den er 1988 durch die Veröffentlichung seines Buches Die satanischen Verse losgetreten hat, was dazu führte, das ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt wurde. Und zweitens an das mutmaßlich dadurch zustandegekommene Attentat, das 2022 während einer Lesung auf ihn verübt wurde, das Rushdie glücklicherweise jedoch überlebt hat. In Knife: Gedanken nach einem Mordversuch hat Rushdie die Geschichte dieses Attentats nun aufgeschrieben und in große Literatur verwandelt – und auf diese Weise etwas Schreckliches in etwas Gutes verwandelt. Rushdie schreibt über Angst und Dankbarkeit, aber auch darüber, wie wichtig es ist, den Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung nicht aufzugeben – damit ist ihm eines der besten Bücher der ersten Jahreshälfte 2024 gelungen.

Ebenfalls noch nicht auf Deutsch erschienen (und wer weiß, ob das aufgrund des Themas je passieren wird) ist das Buch Everyone Who Is Gone Is Here: The United States, Central America And The Making Of A Crisis des New Yorker Journalisten Jonathan Blitzer. Der schreibt bereits seit vielen Jahren über die Einwanderungsdramen an der amerikanisch-mexikanischen Grenze und geht in seinem aktuellen Buch an deren Anfänge zurück: zu den Bürgerkriegen in El Salvador und Guatemala in den Achtzigerjahren und den US-amerikanischen Gefängnissen in den Neunzigern sowie der damaligen Politik der Massenabschiebung, die dazu geführt hat, dass lokale Straßenkriminelle internationale Verbrechersyndikate gründeten. Er schreibt über den politischen Krieg Honduras‘ gegen Kriminelle in den Nullerjahren, dem Aufkommen von Banden und Gangs in Mittelamerika und den USA, und er schreibt über die verhängnisvollen Auswirkungen der Trump-Ära, als das Thema Einwanderung dem Rechtspopulismus neuen Auftrieb verlieh und Masseninternierungen an der Tagesordnung waren. Wer sich für die Einwanderungsproblematik Amerikas interessiert, die von der hiesigen ja auch nicht allzu weit weg ist, der findet in Everyone Who Is Gone Is Here: The United States, Central America And The Making Of A Crisis jedenfalls eine aktuelle und umfassende Lektüre – die von der New York Times nicht umsonst zu einer der zehn besten der ersten Jahreshälfte 2024 gekürt wurde.

Und zum Schluss noch ein Buch, für das man wirklich stark sein muss und das so harter Tobak ist, dass man sich wirklich gut überlegen sollte, ob man die psychische Kraft dafür hat: Fi von Alexandra Fuller. Denn darin schreibt sie vom plötzlichen Sohn ihres damals 21-jährigen Sohnes, aus dessen Körper das Leben im Schlaf entwich. Einfach so. Und über dieses Drama schreibt Fuller so ehrlich und schriftstellerisch elegant, aber eben auch so brutal niederschmetternd, dass es einem wirklich das Herz zerreißt. Fi ist Fullers Auf- und Verarbeitung dieser Tragödie, die einen mit einem felsengroßen Kloß im Hals zurücklässt, den man tage- und wochenlang nicht mehr los wird. Ohne Frage eines der besten Bücher der ersten Jahreshälfte 2024, nicht nur laut New York Times – aber auch ganz harte Kost.

2024-07-05T06:46:08Z dg43tfdfdgfd