STäDTE DüRFEN WERBEPLAKATE VERBIETEN – AUCH AUF PRIVATEM GRUND

Mehrere Schweizer Städte wollen Werbeplakate verbannen. Dagegen wehrt sich die Branche. Nun hat das Bundesgericht entschieden. 

Die Stadt als Werbefläche, zugepflastert mit Plakaten: Davon hatte die Genfer Gemeinde Vernier genug. Der Gemeinderat erliess im September 2022 ein Verbot für kommerzielle Werbung, die von öffentlichem Grund aus sichtbar ist. Ein Referendum dagegen kam nicht zustande, das Verbot ist seit einem Jahr in Kraft. 132 von 172 Plakatwänden wurden demontiert.

Unternehmen und Privatpersonen erhoben jedoch Beschwerde. Sie argumentierten, es handle sich um einen unzulässigen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit und die Eigentumsgarantie. Nun hat das Bundesgericht entschieden – und die Beschwerden abgewiesen. Es sei kein unzulässiger Grundrechtseingriff festzustellen, schreibt das Bundesgericht in seinem am Freitag veröffentlichten Urteil. 

Visuelle Verschmutzung bekämpfen

Aus Sicht des Bundesgerichts zielt das Verbot darauf ab, das Ortsbild zu schützen, die Bewegungsfreiheit der Menschen im öffentlichen Raum zu verbessern und visuelle Verschmutzung zu bekämpfen. Die Bevölkerung erhalte die Möglichkeit, sich unerwünschter Werbung zu entziehen. Dabei handle es sich um umwelt- und sozialpolitische Zielsetzungen, die im öffentlichen Interesse lägen. 

Der mit dem Verbot verbundene Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit und die Eigentumsgarantie sei daher zulässig, urteilt das Bundesgericht. Auch basiere das Verbot auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage und sei verhältnismässig. Plakatgesellschaften und Unternehmen hätten unzählige andere Möglichkeiten, ihre Produkte oder Dienstleistungen bekannt zu machen. 

Das Verbot der Gemeinde Vernier gilt nicht nur für Werbung auf öffentlichem Grund, sondern auch für Plakate auf privatem Grund, die von öffentlichem Grund aus zu sehen sind. Das sei zwar ein stärkerer Grundrechtseingriff, sagt das Bundesgericht. Auch diese Einschränkung sei aber verhältnismässig. 

Politische Werbung nicht betroffen

Erlaubt bleibt mit dem Reglement der Gemeinde Vernier Werbung für kulturelle und sportliche Veranstaltungen. Das stellt laut dem Bundesgericht aber keine Ungleichbehandlung dar, da es sich um unterschiedliche Werbeinhalte handelt. Auch mit der Meinungsäusserungsfreiheit ist das Verbot laut dem Bundesgericht vereinbar.

Nicht tangiert sind Abstimmungs- und Wahlplakate. Politische Werbung falle unter Artikel 16 der Bundesverfassung, hält das Bundesgericht fest. Dieser garantiert die Meinungs- und 

Informationsfreiheit. Vor Wahlen werden die Städte also weiterhin mit den lächelnden Gesichtern von Kandidatinnen und Kandidaten übersät sein. Kommerzielle Werbeplakate könnten dagegen bald auch in anderen Schweizer Städten verschwinden. 

Knapper Entscheid in Bern

Der Berner Stadtrat hat im Februar mit knapper Mehrheit einem Vorstoss für ein Verbot zugestimmt. Mit dem Bundesgerichtsurteil hat die Stadt nun grünes Licht für die Umsetzung. In der Debatte sagten die Befürworter, Werbung sei störend und führe zu übermässigem Konsum. Anders als im Internet könne man im öffentlichen Raum keinen Ad-Blocker installieren. Die Gegner argumentierten mit den negativen Folgen für Kleinbetriebe. Zudem warnten sie vor hohen Einnahmeausfällen. Die Stadt Bern verdiene jährlich über fünf Millionen Franken mit Werbeflächen. 

Die Stadt Genf hat vergangenes Jahr in einer Abstimmung knapp Nein gesagt zu einem Werbeverbot. Diskussionen über Verbote oder Einschränkungen gibt es aber auch in weiteren Städten, darunter Zürich und Lausanne. Die Werbebranche ist darüber alles andere als erfreut. Der Dachverband KS/CS Kommunikation stellte seine Sicht vor Kurzem in einem Beitrag auf persönlich.com dar. 

Politische Vorstösse für Verbote häuften sich, schrieb der Verband. «Dabei spielt Aussenwerbung eine wichtige gesellschaftliche und politische Rolle, die weit über ihren kommerziellen Zweck hinausgeht.» Werbung sei Information. Sie gebe den Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit, Kaufentscheide abzuwägen, und sei ein wichtiger Teil des Wirtschaftsgefüges. «Legale Produkte und Dienstleistungen sollen auch legal beworben werden dürfen.»

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