SIND APRIKOSENBäUME IM WALLIS WICHTIGER ALS DER HOCHWASSERSCHUTZ?

Nur wenige Wochen vor den gravierenden Unwettern der letzten Tage hatte Staatsrat Franz Ruppen ein Hochwasserschutzprojekt im Wallis vorläufig eingestellt. Dafür wird er jetzt hart kritisiert.

Im Wallis ist infolge der Unwetter ein Mensch ums Leben gekommen, eine weitere Person wird vermisst. Ausserdem gab es Schäden in der Infrastruktur und Industrie. Das Hochwasserrisiko der Rhone war seit Jahren bekannt. Der «Tages-Anzeiger» berichtet von einem Dokument der Walliser Behörden aus dem Jahr 2008. Die Dokumente halten fest, dass die Hochwasser von 2000 gezeigt hätten, dass die Abflusskapazität der betroffenen Abschnitte der Rhone zu klein sei. Sicherungsmassnahmen zur Verbreiterung des Flusses mit Kostenpunkt von etwa 70 Millionen Franken seien bereits damals diskutiert worden.

Die Ideen gab es, umgesetzt wurde nichts. Bis heute gibt es an verschiedenen Risikostellen der Rhone keinen Schutz. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» bestätigte die Walliser Kantonsbehörde, dass seit 2008 keine Arbeiten mehr durchgeführt worden seien. Zu den Beweggründen dieses Stopps machen sie keine weiteren Angaben.

Ruppen wendet sich gegen Volksentscheid

Vergangenes Jahr wurde jedoch ein Hochwasserschutzprojekt ausgearbeitet, das sich derzeit in der Endphase der Planung befindet. Erst vor wenigen Wochen gab Franz Ruppen, Vorsteher des Departements für Mobilität, Raumentwicklung und Umwelt des Kantons Wallis, wiederum eine gründliche Überprüfung dieser dritten Rhonekorrektion bekannt. Unter Anbetracht der Umstände überrascht es, dass das Projekt mitten in der Umsetzung deutlich verkleinert werden soll und vorläufig sistiert ist. Damit handelt er gegen einen Volksentscheid. 2015 hat die Walliser Stimmbevölkerung den Ausbau des Hochwasserschutzes deutlich angenommen.

Seit Jahren gehört der SVP-Nationalrat zu den Gegnern des Projekts. Vor allem den Bauern ist der Hochwasserschutz ein Dorn im Auge. Sie befürchten, dass sie im Zuge der Flussvergrösserung Ackerland verlieren könnten. 150 bis 300 Hektaren sogenanntes Fruchtfolgeland, das unter anderem Walliser Aprikosen beheimatet, würden beansprucht werden.

Hochwasserschutz «überdimensioniert»

Ende Mai begründet Ruppen den Projektstopp: «Unsere Analyse zeigt, dass das Projekt überdimensioniert ist. Die Hochwasserrisiken wurden zu hoch eingeschätzt.» Laut dem «Tages-Anzeiger» habe der Umweltdirektor in mehreren Interviews beteuert, dass es auch ihm wichtig sei, dass es mit der Rhonekorrektion möglichst schnell vorwärts gehe. Er weiche jedoch nicht von seinem Kurs ab und halte weiterhin an einer Korrektur der Pläne fest. Persönlich geäussert habe er sich gegenüber der Redaktion bisher nicht.

«Eine grosse Gefahr für viele Menschen» und «Eine seltsame Entscheidung», schrieb Alt-Bundesrat Pascal Couchepin in der Zeitung «Le Nouvelliste». Auch Daniel Heusser vom WWF Schweiz kritisierte auf Anfrage der NZZ die Kantonsregierung stark: «Mit einem 69-seitigen Pseudogutachten beerdigt man 20 Jahre wissenschaftlich fundierte Arbeit.» Der Experte für Hochwasserschutz Jean-Pierre Jordan geht noch weiter: Es sei für viele Menschen eine grosse Gefahr, wenn die Rhone über die Ufer trete. «Es tut sehr weh, mitzuverfolgen, was gerade passiert», sagte er weiter gegenüber der NZZ.

Bundesrat Albert Rösti sagte zu Radio SRF, die erneute Überprüfung des Projekts liege in der Hand des Kantons. Der Bund wird jedoch ein Auge drauf behalten. Dieser sei mit einer Milliarde an dem Projekt beteiligt. Rösti hält fest, dass es unumstritten sei, dass bei diesem Interessenkonflikt keine Abstriche bei der Sicherheit gemacht werden dürfen. Sarah Kündig

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