RAKETEN-GLACE-FABRIK DROSSELT PRODUKTION – SCHLECHTWETTER LäSST FIRMEN LEIDEN

Einbruch um 30 bis 40 Prozent: Die Glaceherstellerin Froneri schickt Angestellte früher in die Ferien, Gartencenter und Kartoffelbauern klagen über einen historisch schlechten Juni.

Der April war schön, dann jedoch kam der grosse Regen. Besonders nass war der Juni. Für Firmen, die ihren Umsätze hauptsächlich in den ersten beiden Quartalen erwirtschaften, ist das Jahr 2024 nun gelaufen. Was sie bis jetzt nicht verkauft haben, bleibt bis nächstes Jahr liegen. Andere hoffen auf eine trockene zweite Sommerhälfte. Eine Auswahl an Produkten, die Probleme haben.

Glace

Glace essen viele Leute in der Badi oder wenn sie mit Freunden unterwegs sind. Die Schweizer Glaceproduzenten, zu denen Firmen wie Froneri, Lusso, Gasparini oder Emmi gehören, freuten sich über einen guten Start im April. Dann gingen die Verkäufe zurück. «Konkrete Zahlen liegen jedoch nicht vor», sagt Reto Lüchinger, Präsident von Glacesuisse, dem Verband, der die Produzenten vertritt.

Die Froneri Switzerland aus Goldach SG, die Raketen-Glace oder Mövenpick-Kübeli herstellt, setzte im Juni mindestens 30 bis 40 Prozent weniger um als im Vorjahr, sagt Chef Reto Lüchinger. Er kann sich nur an einen Juni erinnern, der gleich schlecht war: denjenigen während Corona.

Um die Tiefkühllager nicht zu überfüllen und zu vermeiden, dass Glace entsorgt werden muss, hat er die Produktion inzwischen reduziert. Statt nur eine Woche schickt Lüchinger seine Mitarbeitenden in der Produktion zwei Wochen in die Betriebsferien.

Der schlechte Juni bringt seine Firma aber nicht in Bedrängnis. «Glaceproduktion ist ein volatiles Geschäft, das stark davon abhängt, ob die Sonne scheint oder nicht. Das macht unser Leben spannend.»

Erdbeeren

Bauern, die Erdbeeren auf offenem Feld anbauen, macht die Nässe schwer zu schaffen. Wenn die Früchte nass sind, können sie nicht geerntet werden respektive sind sie deutlich weniger lang haltbar. Ausserdem faulen sie am Strauch rasch, und es können sich Krankheiten ausbreiten. Die Produzenten müssen viel mehr Zeit aufwenden, fürs Ernten, für die Feldhygiene und das Sortieren der Beeren.

In den Supermärkten gibt es zwar Erdbeeren zu kaufen, denn ein Grossteil wächst unter Witterungsschutz. Doch das Angebot ist deutlich kleiner.

Bis jetzt wurden diese Saison rund 5150 Tonnen geerntet – letztes Jahr waren es insgesamt 7729 Tonnen. Laut dem Schweizer Obstverband haben Schweizer Erdbeeren bis September Saison.

Kartoffeln

«In meinen sechzehn Jahren als Präsident habe ich so etwas noch nie erlebt», sagt Ruedi Fischer. Er steht der Vereinigung Schweizer Kartoffelproduzenten (VSKP) vor und ist Kartoffelbauer in Bätterkinden BE.

Wegen des vielen Regens seien die Knollen schnell und ungleich gewachsen, die Pflanzen hätten nur kurze Wurzeln, und, das Schlimmste, die Kraut- und Knollenfäule breite sich «explosionsartig» aus. Zwar habe sich die Situation in den letzten Tagen etwas stabilisiert. «Doch wir müssen zusätzliche Fungizid­spritzungen machen», sagt Fischer.

Der biologische Anbau sei besonders betroffen. «Die Erntemengen im Herbst werden kleiner sein.» Um zu verhindern, dass es zu einer Knappheit von Frites-Kartoffeln komme, habe der VSKP ein erstes zusätzliches Importkontingent von 15’000 Tonnen Verarbeitungskartoffeln beantragt.

Bau-, Heimwerker- und Gartengeschäfte

Ernüchterung herrscht bei Gartencentern und Do-it-Läden. Zuerst ermunterte das warme Aprilwetter viele Menschen, ihre Gärten und Terrassen aufzurüsten – die Zahlen schossen durch die Decke. Dann folgte der Dämpfer. «Im Juni blieb unser Geschäft schlecht besucht», sagt Erwin Meier-Honegger, Miteigentümer der Ernst Meier AG, die in Dürnten ZH ein grosses Gartencenter betreibt. Dabei sei dieser Monat entscheidend: Wenn die Leute bis dann keine Pflanzen, neuen Gartenstühle oder Sonnenschirme gekauft haben, tun sie das frühestens im Folgejahr. «Viele Kunden werden das Gartenjahr 2024 jetzt schon abgeschrieben haben», vermutet Meier-Honegger.

Bei den Landi-Läden, die zum Fenaco-Konzern gehören, hat insbesondere der Juni zu Einbussen geführt. «Die Umsätze bewegen sich leicht unter dem Vorjahresniveau», sagt Fenaco-Sprecherin Silja Stofer. 

Bei Jumbo, die Baumarktkette des Coop-Konzerns, hat sich das Saisongeschäft zeitlich verschoben. Die Umsätze seien in etwa vergleichbar mit den Vorjahren. «Vieles wurde nachgekauft», schreibt ein Sprecher. Bei grösseren Anschaffungen wie Freizeitmöbeln, Grills oder Velos falle das Wetter etwas weniger ins Gewicht.

Zwar gehören Absatzschwankungen aufgrund des Wetters dazu. Doch für einige Bau-, Heimwerker- und Gartengeschäfte häufen sich die Probleme.

In den letzten Jahren gab es Lieferengpässe, dann Sonderkonjunktur und schliesslich Konsumzurückhaltung aufgrund von Sättigung und Inflation. Nach der Pandemie kamen beispielsweise chinesische Hersteller viel schneller zurück mit Waren, die dann aber nicht alle abgesetzt werden konnten. «Manche Händler haben sich heuer ein normales Jahr erhofft, doch sie wurden bislang enttäuscht», sagt Nordal Cavadini, Detailhandelsexperte bei der Beratungsfirma Alixpartners. «Wenn zu viele Jahre aufeinander schlecht ausfallen, wird es für exponierte, oft kleinere Firmen irgendwann existenziell.»

Für Konsumenten heisst das: Sie können vielleicht kurzfristig von Schnäppchenpreisen profitieren, doch längerfristig zahlen sie mehr, falls Firmen verschwinden und aufgrund geringerer Konkurrenz die Preise steigen.

Bier

Die Brauerei Feldschlösschen spürt den Wettereffekt massiv. «Es ist eine Tatsache, dass schönes und warmes Wetter die Lust nach einem frischen Bier fördert, von diesen Momenten gab es generell im ersten Halbjahr zu wenig», schreibt Sprecherin Esin Celiksüngü. Auch die Fussball-EM habe kein Gegensteuer geben können. Ein EM-Effekt habe die aktuell schwierige Wetterlage nicht annähernd kompensieren können.

Auch die Brauerei Locher konnte im ersten Halbjahr weniger Appenzeller Bier verkaufen – jedoch habe sich der Absatz «zum Glück nur leicht abgeschwächt», erklärt Marketingchef Ernst Wanner. Er hofft nun auf gutes Wetter und dass die EM doch noch einen kleinen Effekt haben wird. Dafür müsse die Schweizer Nati möglichst weit kommen.

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