NATURGEWALT IM MISOX

Ein Mann ist tot, zwei Personen werden vermisst, die Schäden in den Dörfern sind immens. Nach dem verheerenden Unwetter suchen die Menschen des Misox GR im Aufräumen Ablenkung. Derweil droht wegen der blockierten A13 ein Chaos am Gotthard.

Die rohe Kraft der Natur zeigt sich vergangene Woche im südbündnerischen Misox: Der harmlose Bergbach Riale Molera fliesst normalerweise um Sorte herum – nun hat er eine tiefe Wunde mitten ins Dörfchen geschlagen. Starker Gewitterregen spült am Freitag Schutt und Geröll vom Fluss direkt in den Weiler südlich von Lostallo. Und hinterlässt Verwüstung und Zerstörung. Riesige Steinbrocken und schwerer Schlamm begraben das halbe Dorf, zerstören drei Häuser, einen Stall und eine Garage.

Doch der Albtraum endet hier nicht. Vier Menschen verschwinden. Am Samstag können die Einsatzkräfte eine Frau lebend aus einem Schuttkegel retten und ins Spital von Lugano TI bringen. Die Leiche ihres Ehemannes wird am Sonntag aus dem Flussbett der Moesa geborgen – acht Kilometer unterhalb seines Zuhauses. «Tagsüber bin ich beschäftigt. Aber abends vor dem Einschlafen kreisen meine Gedanken um ihn», sagt der Gemeindepräsident Nicola Giudicetti (65) dem «Blick».

Ein Ehepaar, Vater und Mutter von zwei Kindern, bleibt bis heute verschollen. Angehörige der Feuerwehr und des Zivilschutzes suchen mit Hunden nach ihnen. Die Hoffnung wird stündlich kleiner. «In einem solchen Moment fehlen mir die Worte», sagt Bundesrat Ignazio Cassis (63), als er am Sonntag – sichtlich bewegt – den verwüsteten Ort besucht. «Es erinnert uns an die Verletzlichkeit des Lebens.» Die Zone war zuvor nicht als gefährlich eingestuft wurden.

Menschen halten zusammen

Die Wassermassen haben 200 Meter der Nationalstrasse zwischen Lostallo und Soazza zerstört. Die Autobahn A13 zwischen San Bernardino und Bellinzona bleibt im Misox gesperrt. Verkehrsminister Albert Rösti (56) sagt: «Wir gehen davon aus, dass wir genügend Mittel zur Verfügung haben, um die Reparatur so schnell wie möglich durchzuführen.» Erst in sieben Tagen könne man Genaueres sagen. Erst wenn der Fluss wieder in seinem Bett sei.

Bereits laufen die Aufräumarbeiten auf Hochtouren. Mit Baggern und schwerem Gerät wird Geröll auf Lastwagen verladen und abtransportiert. Mehr als 200 Personen sind im Einsatz. Unter ihnen auch Luca Cereda, Trainer des HC Ambrì-Piotta, und einige seiner Spieler. Die Helfer tragen Schwemmholz und Baumstämme weg. Die Patenschaft für Berggemeinden spendet den betroffenen Gemeinden im Misox mittels eines Fonds eine Million Franken. Gemeindepräsident Giudicetti ist überwältigt von den vielen Freiwilligen, die helfen. Mit Spenden aus der Ferne, mit Schaufeln vor Ort.

Die Menschen halten zusammen, versuchen, zu retten, was zu retten ist. Und doch: Die rohe Kraft der Natur hat ein Tal für immer verändert.

Die Schweizer Illustrierte hat eine neue Podcast-Folge – hier reinhören!

2024-06-29T05:28:02Z dg43tfdfdgfd