EMPöRUNG IN LAUSANNE: UNRWA-CHEF LAZZARINI IST EHRENGAST AM 1. AUGUST

In den vergangenen Jahren waren es die amtierenden Bundespräsidenten, die in Lausanne bei der 1.-August-Feier jeweils eine Rede hielten. Dieses Jahr sorgt die Wahl des Ehrengasts für heftige Reaktionen: Die Stadt hat für den Nationalfeiertag Philippe Lazzarini eingeladen, den Schweizer Chef des Palästinenserhilfswerks UNRWA.

Lazzarini sei eine Schweizer Persönlichkeit, die von der internationalen diplomatischen Bühne nicht wegzudenken sei. Er verkörpere das Engagement für den Frieden sowie die humanitäre Tradition des Landes, hiess es im Communiqué des Stadtrats. Und: «Er ist Teil unseres nationalen Zusammenhalts.»

Breit abgestützter Brief

Gegen die Einladung Lazzarinis hat sich nun Widerstand formiert. «Wenn es einen Feiertag im Jahr gibt, der politisch völlig neutral sein muss, dann ist es der Nationalfeiertag. Dieses Fest soll alle Schweizer vereinen und nicht spalten.» So steht es in einem Brief an den Stadtpräsidenten Grégoire Junod (SP), der von über 150 Bürgerinnen und Bürgern unterschrieben wurde. Junod wird zudem aufgefordert, Lazzarini wieder auszuladen. Mit dieser Wahl werde der Nationalfeiertag für Propagandazwecke instrumentalisiert.

Hinter dem Brief, der der NZZ vorliegt, stehen vor allem Einzelpersonen aus der jüdischen Gemeinschaft, aber auch zahlreiche Nichtjuden. Auch Mitglieder von Organisationen wie der Waadtländer Sektion der Gesellschaft Schweiz-Israel oder die Israelitische Gemeinde von Lausanne und des Kantons Waadt (CILV) haben den Brief unterschrieben.

Die Initiantin des Briefes will aus Sicherheitsgründen anonym bleiben. Sie habe den Brief als Bürgerin verfasst, sagt sie auf Anfrage der NZZ. «Es gab in meinem Umfeld viele Personen, die reagieren wollten. Wir sind sehr enttäuscht.»

UNRWA «reingewaschen»

Die Antwort des Stadtpräsidenten Grégoire Junod folgte am Freitag: Philippe Lazzarini überbringe die Botschaft der Neutralität, so, wie dies alle vorherigen Ehrengäste des 1. Augusts getan hätten. Die UNRWA sei «vom Verdacht der Mitschuld an den grausamen Massakern der Hamas am 7. Oktober reingewaschen worden».

Das Uno-Hilfswerk steht seit Jahren in der Kritik; zuletzt wurde ihm vorgeworfen, UNRWA-Mitarbeiter seien am Terroranschlag der Hamas beteiligt gewesen. Laut einem Bericht einer Expertenkommission hat Israel keine Beweise dafür vorgelegt. Im Bericht wurden jedoch 50 Massnahmen vorgeschlagen, um die Arbeitsweise der Organisation hinsichtlich der «Neutralitätsprobleme» zu verbessern.

Für Eitan von Erlach ist es dennoch unhaltbar, den UNRWA-Chef zu einer Nationalfeier einzuladen: «Das ist eine verrückte Idee, ein Skandal. Damit wird ein Konflikt importiert, den wir hier nicht brauchen – vor allem nicht am 1. August.» Eitan von Erlach ist Präsident der Gesellschaft Schweiz-Israel Waadt, zu deren Mitgliedern Personen jeglicher Konfession und politischer Ausrichtung gehören.

Der Verein hat dem Stadtpräsidenten nun ebenfalls einen Brief geschickt. Sollte die Stadt an ihrem Ehrengast festhalten, so fordern sie, dass die Stadt an der Nationalfeier 120 leere Stühle aufstellt mit den Fotos der Geiseln. Weitere Briefe und Aktionen von anderen Organisationen sind ebenfalls angekündigt.

Gerade in Lausanne hatte der Gaza-Krieg in den letzten Monaten heftige Reaktionen provoziert, mit mehreren Demonstrationen und Universitätsbesetzungen. Für Spannungen sorgte jüngst der Umstand, dass am Frauenstreiktag am 14. Juni palästinensische Fahnen geschwenkt wurden.

Der Stadt seien die Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht wichtig, erklärt der Stadtpräsident Junod auf Anfrage der NZZ. Man sei sich der aufgeheizten Stimmung bewusst. Deshalb seien seit dem 7. Oktober 2023 zahlreiche Demonstrationen genehmigt worden, ohne dass es zu Ausschreitungen gekommen sei. «Wir werden wachsam bleiben, sind aber davon überzeugt, dass der Dialog der beste Weg zur Lösung von Konflikten ist.»

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