Sie ist seit fünf Monaten Mutter: Grünen-Nationalrätin Franziska Ryser switcht erfolgreich zwischen Parlament, VR-Präsidium und Stillen. Ihr kleiner Sohn ist ihre grösste Motivation. Die St. Gallerin verrät, warum sie sich für die nächste Generation einsetzt und wie sie die Zukunft ihrer Partei sieht.
Ihre Freizeit verbringt Franziska Ryser am liebsten draussen in der Natur – beim Wandern in den Bergen oder im Garten ihrer Mutter. Oft aber auch an den Drei Weieren. Das Naherholungsgebiet der Stadt St. Gallen mit Naturbädern und historischen Jugendstil-Holzbauten ist für die Nationalrätin ein nahe gelegener Kraftort. Hier kann sie abschalten und auftanken: Die 32-jährige ETH-Doktorandin wurde bei den letzten Wahlen trotz der Schlappe ihrer Partei mit einem Glanzresultat wieder in den Nationalrat gewählt. Die Vizepräsidentin der PUK, die das CS-Debakel untersucht, ist zudem seit 2015 Verwaltungsratspräsidentin der von ihrem Grossvater gegründeten Familienunternehmung Ryser Optik in St. Gallen. Und seit fünf Monaten Mutter eines Sohnes.
Franziska Ryser: Ich habe zum Glück einen sehr guten Schlaf. Auch schon vor dem Kind. Für meine Doktorarbeit habe ich eine Studie durchgeführt, in der ich das Schlafverhalten von Leuten untersucht habe. Da war ich viele Nächte wach. Vermutlich war das die beste Vorbereitung aufs Muttersein.
Es braucht natürlich einiges an Organisation (lacht). Aber es sind alles Aufgaben, die mir sehr viel Freude bereiten und mir auch wieder viel Energie zurückgeben.
Wir hatten eine sehr gute Zeit. Natürlich sind insbesondere Mike und ich politisch kaum je einer Meinung. Und in der politischen Auseinandersetzung scheuen wir uns nicht, mit harten Bandagen zu kämpfen. Aber wir wollten zeigen, dass man politisch nicht gleicher Meinung sein muss, sich aber persönlich gut verstehen kann. Ich finde es sehr wichtig, dass das in unserem Politsystem immer noch möglich ist und auch bleibt. Man muss miteinander Lösungen finden. Und das funktioniert dann gut, wenn man einen persönlichen Draht hat oder versucht, die andere Position zu verstehen.
Die Ablehnung des CO2-Gesetzes. Es wäre ein gutes Gesetz gewesen.
Die Folgen der Klimaerhitzung sind auch bei uns schon zu spüren. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten müssen wir von den fossilen Energieträgern wegkommen, und dafür wird sich auch unsere Mobilität verändern müssen. Beim Klimaschutzgesetz haben wir gesehen, dass die Bevölkerung sehr breit hinter diesem Ziel und dem Wandel steht. Das gilt auch für konkrete Massnahmen: Beispielsweise hat eine repräsentative Umfrage ergeben, dass über 70 Prozent der Befragten bereit wären, eine Abgabe auf ein Flugticket zu bezahlen.
Ich finde es erfreulich, dass die Sensibilität in der Bevölkerung vorhanden ist. Aber es stimmt, wir müssen im Umweltbereich davon wegkommen, alles auf die individuelle Verantwortung der Menschen abzuwälzen. Wir müssen bei den strukturellen Problemen ansetzen.
Fliegen wird beispielsweise auf verschiedenste Weise subventioniert. Fluggesellschaften zahlen keine Mineralölsteuern auf Kerosin und keine Mehrwertsteuerabgaben. Im Zug hingegen kommen Gebühren auf die Trassees hinzu. Deshalb gibt es keinen fairen Wettbewerb zwischen Flugzeug und Bahn. Das sollten wir ausgleichen. Auch sollten die verursachten Kosten in den Preisen abgebildet sein.
Ich wohne in St. Gallen, bin in zehn Minuten zu Fuss am Bahnhof. Wir haben einen guten öffentlichen Verkehr. Ein Auto brauche ich für meinen Alltag nicht.
In Europa nicht.
Das ist noch nie vorgekommen.
Man kann andere Haltungen haben und solche Rechtsentscheide kritisieren. Aber dass wir in unserem Rechtsstaat die Judikative so unterwandern, ist einer Demokratie unwürdig.
Absolut. Aber das Wahlergebnis hängt auch mit der allgemeinen Grosswetterlage zusammen. Obwohl Umweltthemen an Wichtigkeit nicht verloren haben, standen andere Themen mehr im Fokus. Aber wir haben immer noch die zweitgrösste Fraktion, die wir als Grüne je hatten. Ich bin zuversichtlich, dass wir in vier Jahren den Verlust mehr als nur wiedergutmachen können und zusätzliche Sitze gewinnen.
Aus meiner Sicht wäre es wichtig, dass die Grünen einen Bundesrat stellen. Es sind zehn Prozent der Bevölkerung, die in der Regierung nicht vertreten sind. Das muss spätestens bei den nächsten Wahlen korrigiert werden.
Zurzeit bin ich mit der neu gegründeten Familie und dem Nationalratsmandat sehr zufrieden.
Für mich ist mein Sohn die grösste Motivation, mich in der Politik dafür einzusetzen, dass wir der nächsten Generation eine lebenswerte Zukunft hinterlassen können.
Mein Partner und ich teilen uns die Betreuung auf. Die ersten zwei Monate habe ich die Hauptbetreuung übernommen, danach haben wir gewechselt. Er hat dafür zwei Monate frei genommen. Wenn ich zu Sitzungen nach Bern gehe, kommt er mit und spaziert mit dem Kleinen ums Bundeshaus, damit ich ihn ab und zu stillen kann. Es wäre schön, alle hätten die Möglichkeit für ein solches Elternzeitmodell.