ARGENTINIENS PARLAMENT STIMMT REFORMEN ZU: JAVIER MILEI KANN NUN EIN JAHR LANG PER DEKRET REGIEREN

Mit deutlicher Mehrheit hat das argentinische Abgeordnetenhaus das Reformpaket der Regierung von Präsident Javier Milei gebilligt. Für Milei ist das ein grosser Erfolg. Denn die Regierungspartei La Libertad Avanza verfügt nur über zehn Prozent der Sitze im Kongress. Doch nach langen Verhandlungen stimmten sowohl Abgeordnete der bürgerlichen Mitteparteien als auch Abtrünnige der peronistischen Opposition für die Vorlage. «Die erste Phase meiner Amtszeit ist nun abgeschlossen», verkündete Milei das Ergebnis in einem lokalen Radiosender.

Um das sogenannte Ley Bases (Basis-Reformpaket) durch das Parlament zu bringen, musste die Regierung allerdings einige Zugeständnisse machen. Von den ursprünglich über 600 Artikeln wurden nun 210 verabschiedet. Dennoch ging die Strategie des Regierungslagers auf. Sie bestand darin, mit möglichst hohen Forderungen in die Verhandlungen mit den Abgeordneten anderer Parteien zu gehen, um trotz Zugeständnissen ein weitreichendes Reformpaket zu erhalten.

Milei hat vorerst freie Hand

Tatsächlich ist es erstaunlich, was der mehrheitlich oppositionelle Kongress nun genehmigt hat. Der Staatschef Milei erhält weitreichende Gesetzgebungskompetenzen und kann ein Jahr lang per Dekret am Kongress vorbeiregieren. Diese Sondervollmachten für Reformen gelten für die Bereiche Verwaltung, Wirtschaft, Finanzen und Energie.

Milei kündigte denn auch an, nach dem Haushaltsausgleich nun die Reform des Währungssystems in Angriff zu nehmen. Im Wahlkampf hatte er versprochen, den Peso durch den Dollar zu ersetzen, war dann aber wegen hoher Risiken zurückgeschreckt. Inzwischen denkt die Regierung über die Einführung eines hybriden Systems mit zwei Parallelwährungen, Peso und Dollar, nach. Dazu passt, dass Ende Mai der Ökonom Federico Sturzenegger ins Kabinett berufen wurde, der massgeblich an der vorgeschlagenen Reform mitgearbeitet hat und die Dollarisierung vorantreiben soll.

Ausserdem will Milei das komplizierte Arbeitsrecht ändern, das für den Präsidenten einer der Hauptgründe ist, warum Unternehmen in Argentinien keine Arbeitsplätze schaffen. Dabei plant der Regierungschef ein neues Anreizsystem für Grossinvestoren. Konzerne sollen von attraktiven Steuervergünstigungen profitieren, wenn sie mehr als 200 Millionen Dollar investieren. Damit will Milei vor allem die Erschliessung der Bergbau- und Energieressourcen vorantreiben.

Argentinien hat im internationalen Vergleich sehr grosse Vorkommen an Lithium, Kupfer und Erdgas. Ausländische Unternehmen, insbesondere aus China und den USA, investieren bereits. Die Regierung möchte jedoch, dass diese ihr Engagement ausweiten, aber unter der Bedingung, dass künftig ein Fünftel der Gesamtinvestitionen an lokale Anbieter fliesst.

Statt 60 Staatskonzernen werden nur noch 8 privatisiert

Die meisten Zugeständnisse musste das Regierungslager bei den geplanten Privatisierungen der sechzig Staatskonzerne machen. Jetzt ist die Entstaatlichung von acht Unternehmen möglich. Auf der Privatisierungsliste stehen Wasserwerke, Energieversorger und Eisenbahngesellschaften. Politisch heikle Staatsunternehmen wie die Fluggesellschaft Aerolíneas Argentinas, der staatliche Fernsehsender RTA und die Post bleiben vorerst in Staatsbesitz.

Einen Überraschungserfolg konnte die Regierung bei den Einkommenssteuern erzielen. Diese dürfen künftig wieder erhoben werden. Der Regierungskandidat, der im Wahlkampf gegen Milei antrat, hatte sie vorübergehend abgeschafft, um Stimmen zu gewinnen. Nun müssen eine Million Festangestellte wieder ab einem bestimmten Mindesteinkommen Steuern zahlen. Vor dieser unpopulären Massnahme inmitten der schweren Rezession hatten sich alle Parteien gedrückt. Doch für die Provinzen sind diese Steuereinnahmen entscheidend.

Für die Regierung Milei beginnt nun eine neue Regierungsphase: Der Präsident muss zeigen, dass er die lange versprochenen Reformen nun auch umsetzt. Denn bisher erwies sie sich bei der tatsächlichen Umsetzung der per Dekret verordneten Massnahmen als schwach. Das mag daran liegen, dass Milei Argentinien mit einem Küchenkabinett unter Führung seiner Schwester Karina regiert, das kaum offen für Ratschläge von aussen ist.

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