ANGESTELLTE WERFEN DEM WEF SEXISMUS UND RASSISMUS VOR – DIE ORGANISATION SPRICHT VON «NACHWEISLICH FALSCHEN BEHAUPTUNGEN»

Nein, körperlichen Kontakt habe er nie gesucht. Doch sei das Muster anzüglicher Bemerkungen und Verhaltensweisen für sie als Frau schrecklich gewesen. Das erzählt eine ehemalige Angestellte, die in den 2000er Jahren für das World Economic Forum (WEF) in Genf gearbeitet haben soll. Und der Mann, über den sie diese Geschichte erzählt, war angeblich niemand Geringeres als der WEF-Gründer Klaus Schwab persönlich.

Im «Wall Street Journal» ist am Wochenende ein Artikel erschienen, in dem ehemalige und derzeitige Angestellte des WEF schwere Vorwürfe gegen die Organisation erheben. Die Autorinnen des Textes haben dafür mit mehr als 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesprochen, die in den vergangenen vier Jahrzehnten für das WEF gearbeitet haben. Die Organisation bestreitet die Vorwürfe.

Der Redaktion liegen laut eigenen Angaben interne Beschwerden und E-Mails vor, welche die Anschuldigungen stützen, dass sich unter Schwabs Führung eine Kultur etabliert haben soll, in der Frauen und Schwarze diskriminiert wurden.

Das «N-Wort» gebraucht

Ein Vorwurf lautet, dass Schwab, heute 86 Jahre alt, vor einigen Jahren die Entlassung einer Gruppe von Mitarbeitern mit einem Alter von mehr als 50 Jahren gefordert habe, um den Altersdurchschnitt zu senken. Als der HR-Chef dies ablehnte, soll Schwab ihn kurze Zeit später entlassen haben.

In einem anderen Fall sei eine Frau in den ersten Tagen ihres neuen Jobs zu Schwab gegangen, um ihm zu sagen, dass sie schwanger sei. Dieser habe verärgert reagiert, und die Frau musste das WEF nach einer kurzen Probezeit wieder verlassen.

Insgesamt sollen mindestens sechs Frauen hinausgedrängt worden sein. Gleich viele berichteten dem «Wall Street Journal» von sexueller Belästigung durch das obere Management.

Weiter heisst es in dem Artikel, dass mehrere Mitarbeiter des WEF das «N-Wort» gebraucht haben sollen. Darunter auch der Verantwortliche für Events, der im Jahr 2018 entlassen wurde, weil er eine schwarze Frau vor anderen Angestellten gedemütigt habe. Schwarze Angestellte hätten zudem offizielle Beschwerden eingereicht, wonach sie bei Beförderungen übergangen und nicht nach Davos ans jährliche WEF-Treffen eingeladen worden seien.

Nulltoleranzpolitik

Das WEF schreibt auf Anfrage, man sei zutiefst enttäuscht, dass das «Wall Street Journal» «wissentlich nachweislich falsche Behauptungen veröffentlicht, um unsere Organisation, unsere Kultur und unsere Kollegen, einschliesslich unseres Gründers, falsch darzustellen». Das Forum habe eine Nulltoleranzpolitik gegenüber jeglicher Form von Belästigung, Mobbing oder Diskriminierung. Jeder Vorfall werde umgehend untersucht, und wenn nötig würden Massnahmen ergriffen.

Dass Schwangeren gekündigt werde, stimme nicht. «Es gibt keinen Unterschied in der Fluktuationsrate zwischen Männern und Frauen innert drei Jahren nach Inanspruchnahme des Elternurlaubs.»

Zum Vorwurf der Diskriminierung von Schwarzen schreibt das WEF, dass am Jahrestreffen in Davos etwa die Hälfte aller Mitarbeiter teilnähmen. «Die Vielfalt hinsichtlich Rasse, Ethnie und Nationalität derjenigen, die am Treffen teilnehmen, entspricht ihrer Repräsentation in unserer Belegschaft.»

Auch eine Person, die Klaus Schwab gut kennt, zeigt sich überrascht über die Berichterstattung aus den USA. Schwab sei ein umsichtiger Mensch, der keine Entscheide fälle, die eine negative öffentliche Reaktion auslösen könnten. Auch habe Schwab stets grossen Wert auf das Thema Frauenförderung gelegt.

Ziel: Eine bessere Welt

Als Schwab das WEF im Jahr 1971 gründete, strebte er nach Grossem: Eine internationale Plattform wollte er schaffen, auf der sich Wirtschaft, Politik und Gesellschaft um die grossen Probleme dieser Welt kümmern würden. Schwab war ein Idealist und erfolgreich damit: Innert weniger Jahre entwickelte sich seine Konferenz zu einem internationalen Spitzentreffen.

Heute generiert das WEF mehr als 400 Millionen Franken Umsatz. Die Organisation beschäftigt 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Genf, New York und anderen Städten und galt lange als Anziehungspunkt für jene, die etwas bewegen wollten. Sie hat sich denn auch zu nichts Geringerem verschrieben, als den Zustand der Welt zu verbessern.

Öffentlich tritt das WEF für die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter ein. Jedes Jahr veröffentlicht es den «Global Gender Gap Report», der die Fortschritte in Richtung Geschlechterparität detailliert darstellt. Vor diesem Hintergrund könnten die Anschuldigungen umso schwerer wiegen.

Laut dem Artikel des «Wall Street Journal» hat Klaus Schwab im Mai einen Brief an den Herausgeber und Chefredaktor geschickt, in dem er Bedenken bezüglich der geplanten Berichterstattung äusserte. Danach, am 21. Mai, erklärte Schwab in einer Mitteilung an seine Mitarbeiter, dass er Ende Jahr als Executive Chairman zurücktreten wolle. Zeitlich könnte das ein Zufall gewesen sein: Der Schritt sei Teil eines lang geplanten Übergangs, schrieb Schwab damals.

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