AMPEL-PLäNE WERDEN KONKRETER - BALD SOLL JEDES NEUE GESETZ DURCH HABECKS „KLIMACHECK“ - WAS DAHINTERSTECKT

Die Regierungskoalition hat versprochen, einen „Klimacheck“ für neue Gesetze einzuführen, der neue Regelungen auf ihren Beitrag zur Erderhitzung abklopft. Jetzt werden erste Planungen bekannt, wie ein solches Verfahren aussehen könnte.

Das Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium (BMWK) arbeitet an einem „Klimacheck“, mit dem alle neuen Gesetze des Bundes auf ihre Klimawirkung untersucht werden sollen. Nach den bisherigen Planungen einer Arbeitsgruppe sollen Gesetze bereits während ihrer Entstehung in den zuständigen Ministerien und von externen Gutachtern auf ihre Klimaeffekte untersucht werden. Die Debatte soll helfen, die Klimaziele der Bundesregierung einzuhalten. Das geht aus Unterlagen hervor, die die Initiative „Frag den Staat“ aus dem Ministerium hat und die Table.Briefings vorliegen.

Ein „Klimacheck“ wurde im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vereinbart. Dort heißt es: „Wir werden Klimaschutz zu einer Querschnittsaufgabe machen , indem das jeweils federführende Ressort seine Gesetzentwürfe auf ihre Klimawirkung und die Vereinbarkeit mit den nationalen Klimaschutzzielen hin prüft und mit einer entsprechenden Begründung versieht (Klimacheck).“

Bisher ist das Vorhaben aber kaum vorangekommen. Der Check werde „derzeit erarbeitet“ , erklärt ein BMWK-Sprecher auf Nachfrage von Table.Briefings. Das werde aber noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. Weiter heißt es: „Erste Fragen der Ausrichtung und Ausgestaltung wurden im Rahmen eines Forschungsvorhabens bereits wissenschaftlich geklärt.“ Einen genauen Zeitpunkt für die konkrete Umsetzung des Vorhabens könne man aber noch nicht nennen.

CO₂-Etikett für Gesetze

Details des Vorhabens lassen sich aber aus dem Zwischenbericht eines Workshops ableiten, den das Umweltbundesamt im September vergangenen Jahres mit BMWK-Mitarbeitenden durchführte. Demnach solle ein solcher „Klimacheck“:

  • die Klimawirkung von Gesetzesvorhaben realistisch abschätzen,
  • möglichst früh in den Gesetzgebungsprozess hineinwirken und die Bewusstseinsbildung fördern,
  • Transparenz schaffen für Entscheidungsträger,
  • die Anwendbarkeit für alle Ministerien durch die jeweiligen Fachbeamten sicherstellen,
  • für alle Gesetzgebungsvorhaben angewendet werden,
  • möglichst wenig Zeit der Verwaltung in Anspruch nehmen und
  • außerhalb der Verwaltung Transparenz schaffen.

Möglich wäre demnach für Gesetzesvorhaben eine zweistufige Prüfung : Ein Relevanzcheck von nicht mehr als 60 Minuten könnte mit einem Schwellenwert für CO₂-Emissionen Vorhaben aussortieren, die kaum das Klima belasten. Vorhaben, die einen größeren CO₂-Ausstoß nach sich ziehen, müssten dagegen einer „quantitativen Hauptprüfung“ unterzogen werden. Darin sollte ein Gutachten klarstellen, wie viele Tonnen Treibhausgase aus diesem Vorhaben zu erwarten sind und wie sich diese Emissionen zum verbleibenden CO₂-Budget Deutschlands beziehungsweise zu den Klimazielen der Bundesregierung (Klimaneutralität bis 2045) verhält.

Gesetze bekämen damit praktisch ein CO₂-Etikett . Die Ergebnisse sollen veröffentlicht werden – aber nicht rechtlich bindend sein. Die Hoffnung der Experten: „Medien und Öffentlichkeit werden auf den Klimacheck aufmerksam. Entscheidungen werden im Einklang mit nationalen Klimazielen getroffen […]. Die Politik kann den Klimacheck nicht ignorieren.“

Wer den Klimacheck durchführt, ist umstritten

Intern ist noch umstritten, wer dieses Gutachten durchführen könnte: die Ministerien selbst oder ein externer Gutachter. Der Koalitionsvertrag nennt die „federführenden Ministerien“ als die Akteure. In den Planungen des BMWK ist aber auch die Rede von einer externen Begutachtung in der Hauptprüfung: Das könnte vom Expertenrat für Klimaschutz, dem Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung oder dem Umweltbundesamt geleistet werden.

Eine Begutachtung innerhalb der Ministerien könnte im Zweifel deutlich weniger scharf ausfallen als von externen Gutachtern. Deshalb ist dieser Punkt in der Regierung auch heikel. Bereits im „Sofortprogramm Klimaschutz 2023“ wurde die Einführung des Klimachecks angekündigt, für den die Geschäftsordnung der Ministerien geändert werden solle. Dann könnte jedes Ministerium selbst das Verfahren durchführen. Die grüne Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger setzt sich etwa dafür ein, den Check extern zu überprüfen und ihn fest im Regierungshandeln zu verankern: „Am besten würden wir den Klimacheck als Gesetz im Bundestag beschließen“.

Rechtliche Zweifel an einem Klimacheck seien aus ihrer Sicht unbegründet, sagt die Rechtsanwältin, ehrenamtliche Hamburger Verfassungsrichterin und Expertin für Klimaschutzrecht, Roda Verheyen. „Eine solche Regelung ist verfassungsrechtlich durchaus möglich“, das folge aus einer Reihe von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wie auch aus Artikel 20a des Grundgesetzes (Umweltschutz). „Ein Klimacheck bietet Politikern, Experten und Bürgern wertvolle Informationen und bekämpft die Desinformation im klimapolitischen Diskurs.“

Außerdem könne er „verdeckte Klimaauswirkungen und Klimafolgen von Gesetzen frühzeitig sichtbar machen“, so Verheyen. „Hierbei ist es essenziell, dass ein unabhängiges Expert:innengremium ähnlich wie der Expertenrat für Klimafragen die Klimafolgen des Gesetzes wissenschaftlich einordnet.“ Methodisch ähnlich erfolge dies bereits bei den Sofortprogrammen nach dem geltenden Paragrafen 8 des Klimaschutzgesetzes.

Schärferer Klimaschutz möglich

Die Anwältin erachtet aber auch eine deutlich schärfere Version eines „Klimachecks“, als die BMWK-Planungen vorsehen, für machbar. Demnach:

  • könnte eine „absolute Unverträglichkeitsschwelle“ für bestimmte Emissionsmengen aus einem geplanten Gesetz ein „ Klima-Veto“ auslösen, das einen Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Entwurfsebene stoppt.
  • müsste bei einer „abgeschwächten Unverträglichkeitsschwelle“ das Gesetz zusätzlich begründet werden oder das zuständige Ministerium sich erneut damit befassen.
  • könnte ein eigener parlamentarischer Ausschuss die Ergebnisse kontrollieren.
  • könnte die ordnungsgemäße Durchführung des Klimachecks einklagbar sein.

Einen ähnlichen Vorstoß wie den jetzt geplanten Klimacheck hatte 2019 bereits der „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ der Bundesregierung (SRU) gemacht: Nach den Ideen aus einem SRU Gutachten zu „demokratisch Regieren in ökologischen Grenzen“ sollte das Umweltministerium das Recht bekommen, auch für andere Ressorts Gesetze zu schreiben und alle Normen mit großen ökologischen Auswirkungen einzufrieren.

Ein „Rat für Generationengerechtigkeit“ aus zufällig ausgelosten Bürgern sollte zudem umstrittene Gesetze während dreier Monate für eine Debatte anhalten können. Die Vorschläge trafen aber in der Politik auf Widerstand und selbst im SRU auf Widerspruch eines Mitglieds.

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